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Inhaltsverzeichnis

Akteure

Die Allierten verfolgten nach dem Ende des zweiten Weltkriegs sowohl in West- wie in Ostdeutschland zunächst vordergründig die gleiche Strategie, um das Erwachsenenbildungswesen wieder aufzubauen. Alle vier Militäradministrationen übernahmen in ihren jeweiligen Besatzungszonen die Rolle des Gesetzgebers. Zugleich setzten sie darauf, vertrauenswürdige Erwachsenenbildner, die vor dem nationalsozialistischen Regime geflüchtet waren, als Entscheidungsträger einzusetzen, damit diese in der Tradition der Volkshochschulen der Weimarer Republik ein neues, demokratisch organisiertes Erwachsenenbildungssystem wieder aufbauen (vgl. Siebert 1998, S. 318f). Doch spätestens mit der Gründung der beiden deutschen Staaten wurden deutliche Unterschiede in den Akteurskonstellationen zwischen der BRD und der DDR sichtbar.

West

In Westdeutschland übernahmen die Bundesländer aufgrund der im Grundgesetz verankerten Kulturhoheit die Verantwortung dafür, den Aufbau des Erwachsenenbildungssystems voranzutreiben. Dafür zuständig waren die jeweiligen Kultusministerien der Länder. Auf lokaler Ebene traten die Kommunen als Träger der Volkshochschulen in Erscheinung.

Zu Beginn der 1950er Jahre wurden darüber hinaus auch andere wichtige gesellschaftliche Gruppen auf dem Feld der Erwachsenenbildung aktiv. Es enstand ein institutioneller Pluralismus, der insbesondere dadurch befördert wurde, das auch gesellschaftliche Korporationen wie etwa Kirchen, Parteien und Gewerkschaften von staatlicher Seite finanziell dabei unterstützt wurden, eigene Bildungsträger aufzubauen (vgl. Siebert 2018, S.64f). Das wurde als notwendig erachtet, damit sie am Aufbau eines demokratischen Gemeinwesens mitarbeiten und den politischen Diskurs mitgestalten und beinflussen konnten. Diese Akteurskonstellation sollte bis zum Ende der 1960er Jahre Bestand haben.

Georg Picht löste mit seinem 1964 erschienenen Buch „Die deutsche Bildungskatastrophe“ eine öffentliche Debatte über das im Vergleich zu anderen Industrienationen unterentwickelte Bildungssystem der BRD aus. Sie mündete letztlich in einer von allen Parteien getragenen expansiven Bildungspolitik, die auch vor dem Erwachsenenbildungssystem nicht halt machte. Die Ausgaben für alle Bildungssektoren wurden massiv ausgeweitet. Im Zuge dieser Expansion entstanden vor allem im Umfeld der ab Anfang der 1970er Jahre aufkommenden neuen sozialen Bewegungen - wie etwa der Ökologiebewegung, der Friedensbewegung oder entwicklungspolitischer Zusammenhänge - neue Bildungsträger, die mit ihren jeweiligen Themengebieten insbesondere auf dem Feld der politischen Erwachsenenbildung Fuß fassen konnten. Diese Träger konnten sich neben den bereits bestehenden traditionellen Korporationen etablieren und profitierten fortan ebenfalls von staatlicher Unterstützung (vgl. Hufer 2016, S.37).

Ab den frühen 1980er Jahren kam es zu einem Umschwung der öffentlichen Meinung. Im konservativen und im liberalen Lager kam man zu der Überzeugung, dass das System der Erwachsenenbildung marktförmig umgestaltet werden müsse, um die immer weiter ansteigenden Staatsausgaben in diesem Bereich einzudämmen (vgl. Raapke 1998, S. 550f). Das genuin bildungspolitische Interesse an der Erwachsenenbildung schwand zwar, zugleich entdeckte man die Erwachsenenbildung jedoch als politisches Instrument, mit dem sozial-, wirtschafts- und beschäftigungspolitische Ziele erreicht werden konnten. Vor allem die Bundesanstalt für Arbeit sah in der Erwachsenenbildung ein Mittel, um durch Qualifizierungsmaßnahmen aktive Arbeitsmarktpolitik zu betreiben und wurde dadurch zu einem maßgeblichen Auftraggeber für Anbieter erwerbsbezogener Weiterbildung (vgl. Schrader 2011, S.41f).

Im gleichen Zeitraum wurde die staatliche Grundfinanzierung für alle Anbieter sukzessive zurückgefahren, sodass Teilnehmerbeiträge eine immer bedeutendere Rolle bei der Finanzierung der Bildungsangebote einnahmen. Diese Faktoren zusammengenommen begünstigten die Etablierung eines Weiterbildungsmarktes, auf dem sich kommerzielle Anbieter mit Gewinnerzielungsabsicht etablieren konnten. Bis zum Ende der 1980er Jahre entstand so ein ausdifferenziertes Feld der Erwachsenenbildung, in dem Anbieter in staatlicher Trägerschaft wie die VHS neben gemeinnützig arbeitenden Anbietern in der Trägerschaft von gesellschaftlichen Korporationen sowie kommerziellen Anbietern koexistierten (vgl. Raapke 1998, S. 550f).

Ost

In der DDR wurde der Aufbau des Erwachsenenbildungssystems zentral gesteuert. Alle das System betreffenden Entscheidungen wurden von Gremien und Organisationen getroffen, die der direkten Kontrolle der SED unterstanden. Lokal waren die Landkreise dafür zuständig, hauptamtlich geführte Volkshochschulen aufzubauen. Die von den Kommunen getragenen Volkshochschulen ihrerseits hatten die Aufgabe, insbesondere in ländlichen Gebieten Außenstellen einzurichten, um auch die ländliche Bevölkerung mit Bildungsmöglichkeiten zu versorgen, sowie in den volkseigenen Betrieben Außenstellen einzurichten, um dort die berufliche Aus- und Weiterbildung zu gewährleisten (vgl. Siebert 1998, S. 321).

Doch die politische Führung der SED war mit den Erfolgen der VHS insbesondere im Bereich der politisch-ideologischen Bildung unzufrieden, und so kam es schon 1953 zu einer funktionalen Ausdifferenzierung. Fortan wurden die Betriebsaußenstellen der VHS in eigenständige Betriebsakademien ausgebaut, der Bereich der kulturellen Bildung wurde ausgelagert in lokale Kulturzentren und die Verbreitung wissenschaftlicher Erkenntnisse (insbesondere der dialektische Materialismus) wurde an eine eigens dafür gegründete Vortragsgesellschaft übergeben. Die VHS konzentrierte sich auf den Bereich der kompensatorischen Bildung, sie ermöglichte insbesondere das Nachholen von Schulabschlüssen auf dem zweiten Bildungsweg und den Erwerb von Allgemeinbildung, wie etwa Fremdsprachenkenntnisse (vgl. Siebert 1998, S.321ff). Zivilgesellschaftliche Gruppierungen, die nicht der direkten Kontrolle der SED unterstanden, spielten im Akteursgefüge der Erwachsenenbildung der DDR so gut wie keine Rolle.

Dieser Prozess der Ausdifferenzierung war spätestens Mitte der sechziger Jahre abgeschlossen. Das 1965 verabschiedete „Gesetz über das einheitliche sozialistische Bildungssystem“ markiert den Schlusspunkt der Reformen des Erwachsenenbildungssystems der DDR. Ab diesem Zeitpunkt änderte sich bis zum Zusammenbruch der DDR wenig an der Akteurskonstellation im Erwachsenenbildungssystem der Volksrepublik (vgl. Siebert 1998, S.333).

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