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Inhaltsverzeichnis

Fazit

Die jeweiligen Erwachsenenbildungssysteme entwickelten sich nach der Gründung der beiden deutschen Staaten in sehr unterschiedliche Richtungen. In der BRD verfolgte man in zweierlei Hinsicht einen pluralistischen Ansatz: Zum einen fiel die Erwachsenenbildung unter die grundgesetzlich verankerte Kulturhoheit der Länder, sodass jedes Bundesland ein eigenes Weiterbildungsgesetz erließ und eigene Institutionen zur Förderung und Verwaltung des Erwachsenenbildungssystems aufbauen konnte. Zum anderen wurden zivilgesellschaftliche Korporationen als mit den Volkshochschulen gleichrangige Träger von Erwachsenenbildung anerkannt und gefördert. Ab den 1980er Jahren führten neue Förderrichtlinien und finanzielle Anreize dazu, dass vermehrt Weiterbildungsanbieter mit Gewinnerzielungsabsicht entstanden. So entwickelte sich in den 40 Jahren seit der Gründung der BRD eine stark ausdifferenzierte Weiterbildungslandschaft, die in der Forschung als ein „Feld mittlerer Systematisierung“ umschrieben wird.

In der DDR hingegen verfolgte man einen zentralistischen Ansatz. Das Erwachsenenbildungssystem stand unter der direkten Kontrolle der SED, es wurde von dieser planvoll zu einem Werkzeug geformt, mit der sie ihre bildungs-, wirtschafts- und sozialpolitischen Ziele verfolgen konnte. Das System war komplett staatlich finanziert, Erwachsenenbildungsbemühungen von vom Staat unabhängigen gesellschaftlichen Akteuren wie etwa Kirchen spielten nur eine sehr marginale Rolle. Jedoch fand in der DDR bereits Mitte der 1950er Jahre eine funktionale Ausdifferenzierung statt, die dazu führte, dass für die allgemeine, die berufliche und die kulturelle Erwachsenenbildung jeweils spezialisierte Institutionen entstanden, die jedoch weiterhin unter direkter staatlicher Kontrolle standen. Eine solche funktionale Ausdifferenzierung fand in der BRD erst gut zwei Jahrzehnte später statt, und sie entwickelte sich im Vergleich weniger von staatlicher Seite geplant und gesteuert, als dies in der DDR der Fall war.

Diese stringente Planung und Kontrolle durch die SED hatte zur Folge, das sich das Feld der Erwachsenenbildung weniger dynamisch entwickelte, als dies in der BRD der Fall war. Die Strukturentwicklung war ab etwa Mitte der 1960er Jahre abgeschlossen, ab diesem Zeitpunkt kam es im Erwachsenenbildungssystem der DDR nur noch zu marginalen strukturellen Veränderungen. Die Erwachsenenbildung stand unter direkter staatlicher Kontrolle, sowohl was ihre Inhalte und institutionelle Struktur betraf, als auch was ihre Finanzierung betraf. Ein „Feld mittlerer Systematisierung“, wie es gegen Ende der 1980er auf dem Gebiet der BRD vorfindbar war, konnte sich unter diesen Voraussetzungen nicht entwickeln. Das Erwachsenenbildungssystem der DDR war strukturell mit dem Staatsapparat der DDR verwoben und von diesem kontrolliert und finanziell abhängig. Es gab kaum zivilgesellschaftliche Akteure, die die Möglichkeit hatten, eigene Bildungsträger aufzubauen.

Mit dem Zusammenbruch der DDR und dem Anschluss seines Staatsgebiets an die BRD zerfiel somit auch ein Großteil der hergebrachten Erwachsenen-bildungstrukturen in den neuen Bundesländern. Sie standen damit vor der Aufgabe, die in Westdeutschland in den vergangenen 40 Jahren vollzogene Entwicklung zu einem pluralistischen Erwachsenenbildungssystem nachzuholen.

/hp/ag/af/zd/www/data/pages/offen/nutzer/benjamin_bettinger/werke/strukturentwicklung_in_der_weiterbildung/fazit.txt · Zuletzt geändert: 2020/11/02 22:00 von benni