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offen:projekte:klapsenchroniken:booklet

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offen:projekte:klapsenchroniken:booklet [2022/07/02 02:43]
65.108.125.120 alte Version wiederhergestellt (2022/04/27 06:03)
offen:projekte:klapsenchroniken:booklet [2024/03/29 08:45]
47.128.28.154 alte Version wiederhergestellt (2023/12/03 06:49)
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 Ich klammerte mich an dieses Gefühl wie ein Ertrinkender auf hoher See an ein Stück Treibholz. Ich verliebte mich in die Vorstellung, durch die Innenstädte des Landes zu ziehen und den Menschen vorzusingen, um damit gerade genug Geld zu sammeln, dass ich mir etwas zu essen leisten und vielleicht alle paar Tage eine Nacht in einem Hotel verbringen könnte, um zu duschen. Die Vorstellung, ein Vagabundenleben zu führen, erschien mir plötzlich unheimlich romantisch und erstrebenswert. Ich klammerte mich an dieses Gefühl wie ein Ertrinkender auf hoher See an ein Stück Treibholz. Ich verliebte mich in die Vorstellung, durch die Innenstädte des Landes zu ziehen und den Menschen vorzusingen, um damit gerade genug Geld zu sammeln, dass ich mir etwas zu essen leisten und vielleicht alle paar Tage eine Nacht in einem Hotel verbringen könnte, um zu duschen. Die Vorstellung, ein Vagabundenleben zu führen, erschien mir plötzlich unheimlich romantisch und erstrebenswert.
  
-Zugleich wich die Trauer und die Verzweiflung darüber, dass **sie**  sich von mir getrennt hatte, immer mehr dem Gefühl der Wut und der Empörung darüber, in was für einer ungesunden Beziehung ich da eigentlich in den vergangenen acht Jahren ausgeharrt hatte.+Zugleich wich die Trauer und die Verzweiflung darüber, dass **sie**  sich von mir getrennt hatte, immer mehr dem Gefühl der Wut und der Empörung darüber, was für eine Art von Beziehung ich da eigentlich in den vergangenen acht Jahren "überlebt" hatte.
  
 Beides - diese Wut, gepaart mit dem Wunsch nach Flucht, Aufbruch und Neuanfang - verarbeitete ich in meinem nächsten Song mit dem passenden Namen "Na und?" Beides - diese Wut, gepaart mit dem Wunsch nach Flucht, Aufbruch und Neuanfang - verarbeitete ich in meinem nächsten Song mit dem passenden Namen "Na und?"
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-Nach gut einem Monat in der Pychiatrie war ich wieder stabil genug, um entlassen zu werden. Tatsächlich hatte der Sport, die Musiktherapie, die Ergotherapie und die therapeutischen Einzelgespräche zumindest bewirkt, dass ich nicht mehr ununterbrochen darüber nachdachte, wie ich meinem Leben möglichst schnell und schmerzfrei ein Ende setzen konnte. +<tabbed>
  
-Doch die Zuversicht und die Hoffnung hielten nicht lange an, als ich wieder zu Hause war. Denn an meinem Leben "draußen" hatte sich ja nichts geändert. Noch immer lebte ich mit vier Männern in einer ziemlich dreckigen, dunklen und hellhörigen WG. +  * [[:offen:projekte:klapsenchroniken:lyrics:hey_du|Hey du]] 
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-Und es trug nicht gerade zu Aufhellung meiner Gemütslage bei, dass ich mit anhören musste, wie sich im Zimmer direkt neben mir einer von ihnen langsam aber stetig zu Tode soff. Jeden Tag, wenn er gegen 16 Uhr von der Arbeit nach Hause kam, war sein erster Gang jener zum Kühlschrank, wo er sich sogleich ein Bier öffnete.  +</tabbed>
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-Bis zum Abend trank er täglich mindestens sechs davon, und spätestens nach dem vierten war er so voll, dass er sich nur noch lallend artikulieren konnte, und sich am nächsten Tag an nichts mehr erinnern konnte, was er ab diesem Zeitpunkt getan oder mit anderen besprochen hatte. Das hinderte ihn jedoch nicht daran, seine durch den Alkohol zusehens schlechter werdende Laune lautstark an seinen Mitbewohnern auszulassen. +
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-Es machte mich unendlich traurig, diesem Menschen, den ich einst als einen meiner besten Freunde bezeichnet hätte, dabei zuzuschauen, wie er langsam an sich selbst zu Grunde ging. +
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-Auch der Rest meiner WG war mir nur selten eine Stütze. Ich war mehr als enttäuscht darüber, dass sie mit meiner Ex-Freundin so umgingen, als wäre nie etwas passiert. Dass sie es als vollkommen normal und selbstverständlich ansahen, dass sie - jetzt, wo wir nicht mehr zusammen waren - so ziemlich mit jedem aus der Clique flirtete und rummachte. Ich nahm es ihnen übel, dass sie auf ihre Einladungen zu Parties, Weihnachtsfeiern etc. eingingen, ohne auch nur ein einziges Wort dazu zu sagen, dass es mindestens Mal äußerst rücksichtslos war, wie sie sich verhielt. Das es ihnen egal zu sein schien, dass ich an all den Aktivitäten unseres ehemals gemeinsamen Freundeskreises nicht mehr teilnehmen konnte, weil ich ihr aus meiner Sicht übergriffiges Verhalten nicht ertragen konnte - und sie seit wir getrennt waren auch sehr großen Wert darauf legte, auch möglichst überall dabei zu sein. +
- +
-Sehr bald schloß ich mich nur noch in mein Zimmer ein und verließ es nur noch, um einkaufen zu gehen oder im Park um die Ecke Joints zu rauchen. Ich war nicht besser als mein alkoholsüchtiger Freund nebenan: Das erste was ich nach dem wachwerden tat, und das letzte, was ich tat, bevor ich schlafen ging, war zu kiffen. Ich war durchgängig high zu dieser Zeit, weil ich dachte, dass es mir hilft, meine Einsamkeit, meine Wut und meine Trauer besser zu ertragen.  +
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-Mein Zimmer war widerlich dreckig und stank, weil ich mich nicht aufraffen konnte zu putzen. Die Matratze, auf der ich den Großteil meines Tages verbrachte, lag ohne Gestell oder Lattenrost auf dem dreckigen und klebrigen Boden und schimmelte von unten durch. Dass alles war mir jedoch egal - ich war gefangen in meiner eigenen Welt, und die war jetzt wieder dunkel und düster und ohne Hoffnung. Mit einem großen Maß an Selbstverachtung schrieb ich über meinen Lebenswandel dieses Lied.+
  
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-Nach und nach wurde mir bewusst, dass es so nicht weitergehen konnte. Ich musste einsehen, dass ich hier nicht mehr hin gehörte. An meiner Wohn- und Lebenssituation musste sich irgendetwas grundlegend ändern, wenn ich nicht vor die Hunde gehen wollte.   
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-Ich dachte wieder zurück an das Gefühl von Hoffnung, dass mir die Idee gab, ein Vagabunden-Leben zu führen. "Alles ist besser als hier" dachte ich, und so begann ich tatsächlich, mich darauf vorzubereiten, einfach loszulaufen. 
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-Ich investierte meine letzten Ersparnisse in einen Verstärker mit Akku, mit dem ich auf der Straße würde spielen können.  
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-Und dann kam mir ein recht seltsamer Gedanke: Was, wenn du beim Spielen in irgendeiner Fußgängerzone deiner Traumfrau begegnest? Du brauchst ein Flirt-Lied! Du brauchst ein Lied, mit dem du sie verzaubern kannst! Und so entstand das nächste Lied... 
  
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-  * [[:offen:projekte:klapsenchroniken:lyrics:hey_du|Hey du]]+  * [[:offen:projekte:klapsenchroniken:lyrics:wirklich_frei|wirklich frei]]
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-Langsam war ich es leid, in Selbstmitleid zu versinken. Ich fragte mich, was außer der Sache mit meiner Ex-Freundin mich eigentlich so unglücklich machte. Irgendwann wurde mir klar: ich war nicht der einzige, der sich aufgegeben hatte. Eigentlich - dass wurde mir bewusst - hatte sich mein komplettes Umfeld inzwischen selbst aufgegeben. Die Menschen, die Freunde, mit denen ich einst im AStA saß, die mit mir gemeinsam Studiengebühren abgeschafft hatten und mit denen ich mehr als ein halbes Jahrzehnt für bessere Studienbedingungen, freie Bildung für alle, Klimaschutz, Antirassismus und nicht zuletzt für eine solidarischere Welt jenseits von Staat und Kapital gekämft hatte...  
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-Sie alle waren mittlerweile allein darauf aus, irgendwie an ein gesichertes Beschäftigungsverhältnis und sichere Einkommensverhältnisse zu kommen. Die meisten von Ihnen arbeiteten mittlerweile in ein und dem selben Krankenhaus an der Pforte, in Wechselschicht, zum Mindestlohn. Der ständige Wechsel ihres Schlafrhythmus hatte gesundheitliche  und seelische Spuren hinterlassen, sie waren ausgelaugt, zu müde um zu kämpfen oder zu träumen. 
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-Ich wusste, ich würde nicht so enden wollen wie sie. Ich wusste, dass war nicht mein Weg. Doch ich verzweifelte fast beim Gedanken daran, sie zurückzulassen, in einer Situation, von der ich überzeugt war, dass sie ihnen nicht gut tut. Ich wollte ihnen so gerne die Hoffnung zurück geben, die Hoffnung darauf, dass ein anderes Leben möglich ist. Die Hoffnung, dass wir uns gemeinsam etwas neues, etwas besseres aufbauen können... Doch ich traute mich nicht mehr, sie darauf anzusprechen... Also schrieb ich dieses Lied. 
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-  * [[:offen:projekte:klapsenchroniken:lyrics:so_einfach|so einfach]] 
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-Ein paar Wochen später bekam ich zufällig Wind von einem Projekt, dass sich anhörte, als hätte jemand meine Gedanken gelesen. Es ging darum, einen Kongress auf die Beine zu stellen, auf dem es um genau die Fragen gehen sollte, die mich jetzt seit einiger Zeit beschäftigten: Wie könnte eine Gesellschaft aussehen, die nicht allein darauf ausgerichtet ist, möglichst viel Profit zu erwirtschaften? Wie schaffen wir es, solidarischer und ökologischer zu wirtschaften und zu konsumieren, damit Menschen ihren Bedürfnissen und Fähigkeiten leben können, ohne sich kaputt zu machen? 
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-Ich reiste zu einem der ersten Orga-Treffen - allein, denn von meinen Freunden konnte oder wollte trotz Nachfrage niemand mit dorthin kommen. Ob es anders gelaufen wäre, wenn ich den Mut gehabt hätte, ihnen das Lied von gerade vorzusingen? 
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-Als ich dort ankam, war ich sofort total begeistert: Ich traf auf lauter wundervolle Menschen, in deren Augen genau jenes Feuer loderte, dass mich und meine Freunde einst auszeichnete. Das Feuer der Hoffnung und des Tatendrangs, das in Menschen brennt, die davon überzeugt sind, dass eine andere, schönere Welt möglich und nötig ist. Das Feuer, dass ich in meinen Augen und denen meiner Freunde so sehr vermisste.  
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-Natürlich beschloß ich gleich, mit in die Organisation des Kongresses einzusteigen. Wir fanden einen coolen Namen für den Kongress: "Move Utopia - für eine Welt nach Bedürfnissen und Fähigkeiten". Und um dem Motto auch gelich gerecht zu werden, kümmerte ich mich um den Aufgabenbereich, auf den ich am meisten Lust hatte: Ich war für das kulturelle Rahmenprogamm zuständig. Geil! Fünf Tage lang Auftritte organisieren, mit Künstlern abhängen und Musik machen. Und es sollte noch besser werden. Denn wir konnten den Kulturkosmos, also den Verein der das Fusion-Festival organisiert, davon überzeugen, dass der Kongress auf dem Fusion-Gelände stattfindet. Ein Traum - ich durfte meine eigene kleine Mini-Fusion organisieren!  
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-Euphorisiert warf ich mich in die neue Aufgabe, denn es war viel zu tun, und es machte einen riesigen Spaß. Es war so wunderschön endlich wieder von Seelen umgeben zu sein, die Hoffnung in sich trugen. Es gab mir die Gelegenheit für so viele tiefe, erfüllende und aufbauende Begegnungen und Gespräche. Und es half mir, einen Teil von mir wieder zu finden, vom dem ich dachte, er sei für immer verschwunden. Der Teil von mir, der bereit ist zu kämpfen für eine bessere Welt. Grund genug, diesen wundervollen Menschen ein Lied zu widmen.  
  
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 ===== Kapitel 3: Das Jahr der Genesung. oder: Lernen zu Lieben, lernen zu leben ===== ===== Kapitel 3: Das Jahr der Genesung. oder: Lernen zu Lieben, lernen zu leben =====
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-  * [[:offen:projekte:klapsenchroniken:lyrics:flashback|Flashback]] 
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 **Sie**  das bist **du**. **Du**  die mich - wie heute Nacht - noch immer in meinen Träumen besucht. Der Mensch den ein Teil von mir immer noch liebt und wahrscheinlihc immer lieben wird. Der mich manchmal dazu bringt, gleich nach dem Erwachen "ich vermisse dich" zu flüstern, weil er einfach nicht aufhören kann in meinen Träumen verzweifelt einen längst verlorenen Kampf um deine Liebe weiter zu kämpfen. **Sie**  das bist **du**. **Du**  die mich - wie heute Nacht - noch immer in meinen Träumen besucht. Der Mensch den ein Teil von mir immer noch liebt und wahrscheinlihc immer lieben wird. Der mich manchmal dazu bringt, gleich nach dem Erwachen "ich vermisse dich" zu flüstern, weil er einfach nicht aufhören kann in meinen Träumen verzweifelt einen längst verlorenen Kampf um deine Liebe weiter zu kämpfen.
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-===== Epilog: Nicht das Ende, der Anfang einer Reise \\ =====+<tabbed> 
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 +  * [[:offen:projekte:klapsenchroniken:lyrics:flashback|Flashback]] 
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 +Epilog: Nicht das Ende, der Anfang einer Reise \\
  
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   * [[:offen:projekte:klapsenchroniken:lyrics:queer|Queer]]   * [[:offen:projekte:klapsenchroniken:lyrics:queer|Queer]]
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