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Sehr geehrte Frau Dr. Freitag, mein Name ist Benjamin Bettinger, ich bin 38 Jahre alt und studiere an der RUB Erziehungswissenschaft und Politik, Wirtschaft, Gesellschaft. Darüber hinaus leide ich an einer posttraumatischen Belastungsstörung, weil ich als Kind und als Jugendlicher vergewaltigt worden bin. Diese Krankheit belastet mich seit langer Zeit massiv, sodass ich immer wieder mein Studium unterbrechen musste, weil ich aus gesundheitlichen Gründen nicht in der Lage war zu studieren. So habe ich beispielsweise im Jahr 2019 insgesamt 14 Wochen in der Psychiatrie verbracht, um eine stationäre Traumatherapie zu absolvieren.

Ich studiere nunmehr seit dem Wintersemester 2003/2004 an der RUB - dass ist eine lange Zeit, und ehrlich gesagt schäme ich mich dafür. Ich habe aus verschiedensten Gründen so lange gebraucht, zunächst, weil ich mich unter anderem als studentischer Senator und AStA-Referent hochschulpolitisch engagiert habe, später dann, weil ich neben dem Studium arbeiten musste, denn mein Anspruch auf Bafög war erloschen, weil ich mich „zu lange“ und „zu intensiv“ ehrenamtlich engagiert habe… Danach kamen noch ein paar persönliche Schicksalschläge dazu, die in der Folge dazu führten, dass es mir psychisch und gesundheitlich immer schlechter ging. 2020, ein Jahr, nachdem ich es endlich geschafft habe, psychisch und gesundheitlich wieder einigermaßen „auf die Beine“ zum kommen, wollte ich dann endlich nutzen, um meinen Abschluss zuende zu bringen. Doch dann kam Covid 19, mit all seinen Einschränkungen auf unser aller Alltag, mit den massiven Kontaktbeschränkungen und den monatelangen IT-Problemen an der RUB im Speziellen. Dankenswerterweise haben die Gremien an der RUB eingesehen, dass es unter diesen Umständen unfair wäre, die „alten“ Studiengänge - wie eigentlich geplant - zum Ende des Sommersemesters 2020 auslaufen zu lassen.

Warum erzähle ich Ihnen „meine persönliche Leidensgeschichte“? Weil ich denke, dass sie ein Beispiel ist für die Menschen, die wie ich aus unterschiedlichsten Gründen noch in den alten Studiengängen an der RUB „festhängen“. Mag sein, dass auch einige darunter sind, die nur noch eingeschrieben sind, weil das Semesterticket so günstig ist, oder sie auf andere Weise davon profitieren, eingeschrieben zu bleiben. Doch es gibt darunter eben auch Menschen wie mich. Mit der Entscheidung, die alten Studiengänge jetzt zum Ende dieses Semesters auslaufen zu lassen, obwohl sich an der Ausnahmesituation durch Covid 19 an der RUB im Vergleich zum Sommersemester nichts substanziell geändert hat, entscheidet die RUB indirekt auch, „uns“ über die Klinge springen zu lassen.

Ich persönlich bin zum Beispiel jetzt in der Situation, dass ich trotz andauernder Angstzustände und Panikattacken (die durch die Bedrohung durch das Virus zusätzlich verstärkt werden), die mich immer wieder für längere Zeiträume komplett arbeitsunfähig machen, irgendwie versuchen muss, meine Abschlussarbeit anzumelden. Insbesondere stehe ich vor dem Problem, dass bereits bestandene Prüfungen und Kurse nicht oder nicht korrekt im eCampus-System eingetragen sind - nur ist es unter den momentan vorherrschenden Hygienebestimmungen extrem schwer, solche Probleme vernünftig zu klären, weil man die verantwortlichen Dozenten, die eigentlich in der Pflicht waren, die entsprechenden Einträge in der Datenbank vorzunehmen, nur sehr schwer erreichen kann.

Und so ist es recht wahrscheinlich, dass ich - obwohl ich alle notwendigen Kurse absolviert und alle CP gesammelt habe - daran scheitern werde, die B.A.-Arbeit rechtzeitig anzumelden, bevor mein Studiengang zum Ende dieses Monats ausläuft. Ich bin mir recht sicher, dass ich damit nicht alleine bin. Doch ich könnte mir vorstellen, dass die meisten anderen Studierenden, die sich gerade in einer ähnlichen Situation befinden, sich schlicht von der unschaffbar anmutenden Aufgabe, unter Corona-Bedingungen organisatorisch vielleicht nicht ganz „einfache“ Studienverläufe noch irgendwie zu einem Abschluss zu bringen, entmutigen lassen und sich ohne es zu versuchen oder sich dazu zu äußern einfach exmatrikulieren. Doch ich wollte Sie als Prorektorin für Lehre zumindest wissen lassen, was es bedeutet, wenn man beschließt, mitten in einer Pandemie flächendeckend Studiengänge auslaufen zu lassen. Es bedeutet, dass dabei Menschen auf der Strecke bleiben, die es einfach vielleicht ein bisschen schwerer hatten als der „durchschnittliche Studierende“, sei es wegen psychischer oder wegen körperlicher Behinderungen und Krankheiten, sei es weil ihre soziale Lage sie dazu zwingt, neben dem Studium zu arbeiten (in Wahrheit meistens eher „neben der Arbeit zu studieren“), oder weil andere Schicksalschläge ihr Studium verlängert haben.

Doch vielleicht haben Sie ja einen Rat für mich: Was würden Sie an meiner Stelle tun? Ich weiß nämlich momentan einfach nicht mehr weiter - ich habe ein Thema für meine Abschlussarbeit, ich habe auch die passenden Prüfer… aber ich werde es wahrschenlich nicht mehr schaffen, rechtzeitig dafür zu sorgen, dass im eCampus alles von den Dozenten so eingetragen und bestätigt wird, dass ich die Arbeit noch vor Ablauf dieses Semesters anmelden kann. Und da hilft dann auch ein Antrag auf einen Nachteilsausgleich nichts mehr (den ich ansonsten bei der Anmeldung der Prüfung stellen würde), denn rein formal gesehen habe ich ja laut eCampus einfach noch nicht alle Voraussetzungen erfüllt, um die Prüfung überhaupt anmelden zu dürfen. Und leider liegt hier die Beweistlast bei mir, dass ich tatsächlich alle notwendigen Leistungen zusammen habe, zumal - seit die Leistungsnachweise nur noch elektronisch und nicht mehr in Form eines unterschriebenen Dokuments in Papierform ausgehändigt werden - die Bescheinigung von Leistungen seitdem keinen Verwaltungsakt mehr darstellen und ich keinerlei Handhabe habe, um mich rechtlich dagegen zu wehren, dass ich durch das Verschulden Dritter (und zwar der dafür zuständigen Dozenten) nicht die benötigten Unterlagen im eCampus-System zusammen habe, um die Prüfung anzumelden. Also… was tun? Aufgeben?

/hp/ag/af/zd/www/data/pages/offen/nutzer/benjamin_bettinger/werke/ba_arbeit/mailprorektor.txt · Zuletzt geändert: 2021/03/26 01:40 von benni