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Lektürekurs: Stadtsoziologie

1. Sitzung

Der vorliegende Text gliedert sich in drei Sinnabschnitte.

Im ersten dieser Abschnitte werden die Begriffe „Verstädterung“ und „Urbanisierung“ erklärt und von einander abgegrenzt. „Verstädterung“ bezeichnet den Prozess einer Veränderung der Siedlungsstruktur, konkret: dass die Bevölkerungsdichte in den Städten drastisch zunimmt, während sie auf dem Land konstant bleibt oder sogar schrumpft.

Der Begriff „Urbanisierung“ hingegen bezeichnet die damit verbundenen Veränderungen der Lebensweise der Menschen. Hier sei als Beispiel im Vergleich zum Landvolk sehr viel höhere Mobilität der Stadtmenschen erwähnt. Während erstere traditionell ihr ganzes Leben an dem Ort verbrachten an dem sie aufwuchsen, war es bei den Arbeitern der Städte üblich, das sie aus verschiedensten Gründen (Verlust der Arbeit, zu wenig Geld für die Miete etc.) sehr oft umzogen.

Aus diesem Umstand ergaben sich zwangsläufig völlig andere Sozialstrukturen als auf dem Lande: während man dort ein umfangreiches soziales Netz aus Familien Nachbarn etc. hatte, war man in den Städten relativ anonym und auf sich allein gestellt, da durch die hohe Mobilität der Menschen sich kaum längerfristige Bindungen entwickeln konnten.

In einem nächsten Schritt wird auf die Konsequenzen eingegangen, welche die durch die Industrialisierung ausgelöste Verstädterung und Urbanisierung entstanden. Mit einigen statistischen Daten wird die Bevölkerungsentwicklung der letzten zweihundert Jahre sowie die Wanderungsbewegungen vom Land zur Stadt dokumentiert.

Basierend auf dem so gezeichneten Bild der Gesellschaft zu Beginn des 20. Jahrhunderts wird auf den sich daraus ergebenen gesellschaftlichen Strukturwandel eingegangen: Die Ständegesellschaft löst sich auf, wodurch Jahrhunderte lang gut funktionierende Sozialstrukturen beginnen an Bedeutung zu verlieren. In den Städten leben überwiegend junge Männer und Frauen, deren Arbeitskraft von der prosperierenden Wirtschaft in zunehmendem Maße nachgefragt wird. Es entsteht eine neue Bevölkerungsgruppe: die Proletarier. Nüchtern betrachtet wäre es die Aufgabe des Staates sich den neuen Gegebenheit anzupassen und entsprechend umzustrukturieren Die überwiegende Mehrheit der gesellschaftlichen Reaktionen und Analysen stehen dem jedoch eher ablehnend gegenüber.

Es entwickelt sich eine breite Front von Restaurationswilligen, die die Entwicklung als Fehlentwicklung, als unnatürlich und gefährlich für die Gesellschaft ansehen. Beispielhaft für die „Analysen“ (eher Vorurteile) sei hier die Überzeugung angeführt das Städte die Menschen der Umgebung anzieht und auch zum Überleben braucht weil der Großteil dieser nach kurzer Zeit wieder aus der Stadt ausziehen wird und somit quasi permanenter Einwohnerschwund in den Großstädten herrscht.

Kompensiert wird dies nur dadurch das die Stadt quasi das umliegende Land 2 aussaugt: „Die Riesenstadt saugt das Land aus, unersättlich, immer neue Ströme von Menschen fordernd und verschlingend, bis sie in einer kaum noch bevölkerten Wüste ermattet und stirbt“.

Diese „Kritik“ an Städten lässt sich noch um einiges weiter und differenzierter abbilden, doch ich denke das dies den Rahmen dieser Zusammenfassung sprengen würde, zumal dies wohl in der nächsten Präsenzsitzung Hauptthema des Seminars sein wird.

2. Sitzung

In diesem Kapitel beschäftigen sich die Autoren mit der Analyse der Großstadt durch Georg Simmel. Sie behaupten Simmel habe in dieser Analyse einen nüchterneren und vorurteilfreieren Blick auf die Großstadt als seine forschenden Zeitgenossen.

Im Gegensatz zu ihnen sehe er in den Entwicklungen keine Gefahr für die Entwicklung der Gesellschaft, sondern ganz im Gegenteil sogar Potenziale für eine positive Weiterentwicklung dieser und ihrer Kultur. Simmel analysiert die Persönlichkeitsstruktur der Großstädter und beleuchtet hier zwei Aspekte die sie von der ländlichen Bevölkerung unterscheiden.Der erst Aspekt bezieht sich auf die Beziehungen der Stadtmenschen untereinander.

Diese seien unpersönlicher und zweckgebundener. Die Menschen nähmen sich gegenseitig nur in der in der jeweiligen Situation ausgefüllten Rolle wahr, nicht jedoch in allen Facetten ihrer Persönlichkeit – Arbeitskollegen nur in ihrer Rolle als eben solche, Geschäftspartner als Anbieter und Kunde, mit einander Sport treibende nur in ihrer Rolle als Sportkameraden. Die übrigen Rollen des Gegenübers seien in der jeweiligen Situation nicht weiter von Belang. Diese Situation ergebe sich daraus, das die einzelnen „Verkehrskreise“ der Interaktionspartner sich - im Gegensatz zu ländlichen Gebieten - um einiges weniger überschnitten.

Der Zweite Aspekt in dem sich die Städter von den auf dem Land lebenden Menschen unterscheide, sei nach Simmel ihr „Geistesleben“ ihre Mentalität. Selbige zeichne sich aus durch drei grundlegende Charakteristika: Reserviertheit, Blasiertheit und Intellektualismus. Diese Eigenschaften bildeten sich beim Städter durch die für eine Großstadt typischen Lebensumstände: zum einen mehrten sich in der Stadt Beziehungen, die rein auf monetäre Zusammenhänge beschränkt seien. In diesen Beziehungen seie man nüchtern und verstandsbetont.

Darüber hinaus habe man in der Großstadt mit so vielen Menschen zu tun, das es ganz unmöglich sei, zu jedem davon eine enge Beziehung zu pflegen. Darüber hinaus werden die menschlichen Sinne in einer Großstadt ständig neuen Sinnen ausgesetzt, weil hier so viele Menschen auf engem Raum zusammenleben und jedes Individuum auf seine eigene Weise lebe. Die Sinneseindrücke wechselten in der Stadt abrupt und schnell hintereinander folgend.

Reserviertheit des Großstädters gegenüber andern Menschen entstehe somit dadurch, das er ständig mit anderen Menschen in Kontakt trete, und es somit unmöglich und nicht wünschenswert sei, zum jedem eine enge Beziehung aufzubauen. Der Städter müsse zum Schutze des eigenen psychischen Apparates eine Gewisse Kälte und Ablehnung gegenüber anderen Menschen an den Tag legen.

Blasiertheit entstehe durch de ständige Bombardierung des Großstädters mit wechselnden Sinneseindrücken. Er reagiere mit Gelassenheit und einer „ich habe alles schon gesehen“ Mentalität, weil ständig wechselnde Eindrücke seine Sinnesorgane so belaste, das diese nach einer Zeit keine Energie mehr hätten angemessen auf neue Reize zu reagieren.

Mit Intelektualität meint Simmel, das die Städter alles zunächst mit ihrem Intellekt wahrnehmen da dieses das am wenigsten intensiv auf verschiedenste reize reagierende „Sinnesorgan“ sei.

Ein anderer Betrachtungsgegenstand Simmels war die neue Dimension annehmende Ausformung der Marktbeziehungen in der Stadt. Durch die Masse an Menschen ist aus seiner Sicht jeder gezwungen, sich eine eigene Nische im wirtschaftlichen System zu suchen.

Hierdurch wird die Arbeitsteilung vorangetrieben und neue Märkte entstehen. Dieser Zwang zur Individualisierung hätte jedoch auch seine guten Seiten: sie gewähre dem einzelnen ein Maß an persönlicher Freiheit, das auf dem Land undenkbar wäre. Die Ausdifferenzierung der städtischen Märkte bringe somit also auch den Vorteil, den Menschen individualisierte Lebensweisen zu vollziehen.

3. Sitzung

In Kapitel 3 des Buches „Stadtsoziologie“ beschreiben die beiden Autoren Häusermann und Siebel die Forschungsmethoden des amerikanischen Soziologen Robert Park zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts. Seine auch durch Simmel inspirierten Arbeiten errinnern an die Reportageneines Journalisten.

Dieser Umstand ist kein Zufall, denn Park war vor der Aufnahme seiner Forschungen ein Journalist in Chicago, New York usw. Auf diesem Hintergrund fussend entwickelt er seinen Blick auf die Stadt und den Fokus seines Forschungsinteresses. Er untersucht die Stadt nicht als ganzes sondern sieht in ihr vielmehr eine Ansammlung von „communities“: bedingt durch die damals für die USA typische Zuwanderung aus allen Teilen der Welt entstehen in der Stadt verschiedenste „Teilkulturen“, die die strukturelle Entwicklung der Stadt prägen.

Es entstehen Subkulturen die in ihr nebeneinander existieren. Beispiel für diese sind die auch heute noch in amerikanischen Städten zufindenen Unterteilungen nach etnischen Gruppen wie z.B. die „chinatowns“ oder hisanisch geprägte Stadtteile, die nach ihren eigenen sozialen Normen leben und für sie typische Institutionen gründeten. Er nennt die so entstandenen gebiete „natural areas“, weil sie aus seiner Sicht durch „natürliche“ Konkurenzkämpfe der einzelnen Ethnien um für sie passende Lebensräume entstanden.

Die Gesamtheit dieser „natural areas“ bildet schlussendlich auch das Gesamtbild der Stadt. Ausgehend von diesen überlegungen forschen Park und seine Kollegen -die „Chicago-Schule“ genannt- in vielerlei Richtungen. Nels Anderson z.B. erforscht das Leben der Saisonarbeiter, die damals „Hobos“ genannt wurden. Beobachtungsschwerpunkte sind hierbei deren Lebensgewohnheiten und deren Aufenthaltsorte. Dabei wird deutlich ds die Hobos in bestimmten Straßen bestimmte Institutionen etablierten,die einem bestimmten Zweck ihres Lebens dienten.

Es gab Orte an denen sie sich amüsieren konnten, es gab Hotels für jene die unterschiedlich lange hier blieben etc, Robert Park schlussfolgerte aus diesen und anderen Beobachtungen, das die Stadt besonders auf junge Menschen einen Reiz auslösen müsste. Dies begründete er damit, dass das Städtische Leben für einen erfahrungsbegierigen Geist viele verschiedene Reize ausübe. Gleichzeitig sei diese Welt für einen Menschen aber auch gefährlich. Er verglich das Leben des Stadtmenschen mit dem einer Motte die um das Licht fliegt: auf der einene Seite bieten sich eine Vielzahl von Möglichkeiten für neue Erfahrungen und Abenteuer.

Auf der andren Seite ist jedoch auch immer die Gefahr des „Absturzes“ immanent. Die Stadt stellt also für ihn wie für Simmel einen Ort dar, der gekennzeichnet ist durch große Freiheiten für das Individuum, einen Ort an dem das Individuum seinen Lebensstil und seine Vorlieben auch jenseits gägniger Moralvorstellungen ausleben kann.

Doch Parks Überlegungen waren nicht das einzige was die Chicago Schule an guten Ideen und Analysen hervorbrachte. Ernest Burgess entwarf zum Beispiel ein Stadtentwicklungsmodell das er überwiegend mit quantitativen Methoden Unterfütterte. Diesees Forschungsmodell wird noch heute von der Stadtgeographie zur Analyse der sozialräumlichen Entwicklung verwendet

4. Sitzung

In diesem Kapitel gehen Häussermann und Siebel auf die Sicht von Bahrdt und Habermas auf das städtische Leben ein. Aus ihrer Sicht kennzeichnet die Lebensweise der Urbanisierung in Europa ein spezifisches Merkmal: Die Polarisierung der städtischen Lebenswelt in ein öffentliches und ein privates Leben.

Bahrdt charakterisiert das öffentliche Leben mit Marktbeziehungen. An dieser Stelle geht er mit Simmel größtenteils konform und beschreibt die hier stattfindenden Beziehungen analog zu Simmel als distanzvoll, vernunftsdominiert und nüchtern. Ebenso sieht er die interagierenden Personen in diesen Beziehungen als „unvollständig integriert“ an. Das heißt das sie in jeder Interaktion nur einen Teil ihrer Persönlichkeit zeigen, der Rest jedoch ausgeblendet bleibt. Bahrdt sieht hierin für den einzelnen die Chance, sich immer wieder als Individuum darzustellen.

Als Gegenpol zu den Verhaltensnormen im öffentlichen Leben und die Anforderung sich hier immer Rollenkonform zu verhalten, entsteht ein privater Raum in dem all die Seiten der menschlichen Beziehungen ausgelebt werden, die in der standardisierten Öffentlichkeit keinen Raum zur Entfaltung finden, wie zum Beispiel Intimität und Emotionen. Diese Trennung entsteht aber auch erst durch die spezifische Lebens- und Arbeitsweise in der Stadt.

Erst durch die Auflösung der zuvor herrschenden Oikoswirtschaft, da zum ersten mal so etwas wie „Freizeit“ entsteht, also eine explizite Abtrennung der Arbeits- von der unproduktiven Zeit. Darüber hinaus lebt man jetzt nur noch mit einer „Kernfamilie“ zusammen, von denen man mehr Treue und Verständnis erwartet.

Diese Konstruktion von zwei divergierenden Lebenswelten ist also in hohem Maße von der in der Stadt vorherrschenden Lebens und Produktionswelten abhängig. Habermas sieht durch die modernen Gesellschaftsformen- etwa die Produktion in Großfirmen oder den Wandel des Staates zum Sozialstaat- die Aufteilung der Stadt in öffentliche und private Welt als nicht mehr gegeben an. Er begründet dies mit einer Durchdringung des privaten durch die zuvor genannten Faktoren, allerdings kann ich der dahinterstehenden Argumentation nicht ganz folgen. Ich hoffe dieses Problem in der nächsten Präsenzsitzung in der Diskussion klären zu können.

Schlussendlich folgern die Autoren aus diesem Wandel, das die heutigen Begriffe zur Beschreibung der Städte nicht mehr ausreichend sind. Somit ist ein Begriffswandel notwendig. Man müsse den Begriff der Urbanisierung abgetrennt von der Stadt als gebaute Form sehen. Statt des Begriffes der Urbanisierung müsse man andere Begriffe finden um das städtische Leben der heutigen Zeit zu beschreiben.

5. Sitzung

Kapitel 6 unseres Buches beschäftigt sich mit dem Thema „Suburbanität“. Suburbanität meint hierbei eine gegenläufige Entwicklung zum zuvor von Simmel beobachteten Prozess der Verstädterung zu Beginn des 20. Jahrhunderts.

Während am Anfang dieses Jahrhunderts große Bevölkerungsmassen in die Städte zogen und somit die Bevölkerungsdichte rapide anstieg, beschreibt der Vorgang der Suburbanisierung die Auswanderung bestimmter Bevölkerungsschichten aus der Stadt sowie eine Abnahme der Bevölkerungsdichte.

Diese Phänomene sind durch unterschiedliche gesellschaftliche Entwicklungen bedingt. Beispielsweise sind hier eine generelle Steigerung des Lebensstandards der Gesellschaft, neue „Gestaltungsmöglichkeiten“ der völlig zerstörten Städte nach dem zweiten Weltkrieg, und eine gesamtgesellschaftliche Wendung zur Kernfamilie als erstrebenswerte Lebensform zu nennen. Zu dieser Lebensform gehörte sodann auch das streben nach genügend Platz für diese Familie, also etwa ein eigenes Haus mit Garten. Auch gehörte der Wunsch nach stabileren sozialen Bindungen, größerer Lebensweltlicher Heterogenität und einer größeren sozialen Kontrolle dazu.

Ab Mitte der 70er entwickelt sich jedoch wiederum ein gegenläufiger Trend. Besonders durch eine Angleichung der Ausbildungen von Frauen an jene der Männer entwickelt sich ein Trend dazu, eben keine Kinder mehr zu bekommen, da diese bei der Karriere stören. Für diese Singlehaushalte oder Paare ohne Kinder ist das innerstädtische Leben auch wieder interessanter als das Leben in den Vororten.

Jedoch entwickelt sich nun nicht mehr eine so hohe Bevölkerungsdichte wie zuvor, darüber hinaus haben die Menschen nun eher die Möglichkeit ihren Wohnort frei zu wählen. Die Vorraussetzungen, die Simmel für die Entwicklung eines großstädtischen Charakters der Menschen gesehen hat – etwa das die Menschen auf engem Raum und in großer Heterogenität miteinander leben- ist heutzutage nicht mehr gegeben. Die Menschen können sich heutzutage größtenteils die Umwelt aussuchen, in der sie Leben. Daraus lässt sich schlussendlich folgern, dass sich die Annahme Simmels umgekehrt hat: die städtische Umgebung prägt heute nicht mehr die Lebensweise der Menschen, sondern die Lebensweise der Menschen prägt die städtische Umgebung.

6. Sitzung

Kapitel 7 beschäftigt sich mit der Geschichte der Gemeindestudien als soziologische Methode. In ihren Anfängen wurden Gemeindestudien als Methode gesehen, soziale Verflechtungen, Lebensweisen und Einstellungen in einem Mikrokosmos zu studieren, von denen aus man dann auf allgemeine Tendenzen in der Gesellschaft schließen kann.

Diese Annahme wurde jedoch spätestens nach der Weltwirtschaftskrise verworfen, da man erkannte, das Verflechtungen mit äußeren, übergeordneten Systemen einen mindestens ebenbürtigen Einfluss auf die Entwicklungen innerhalb einer Gemeinde haben, wie die Verflechtungen innerhalb dieses Systems. Bei der Methode der Gemeindestudien werden erstere jedoch komplett ausgeblendet.

Die Methode ist zwar sehr nützlich, um gemeindespezifische Besonderheiten aufzuspüren, also eine konkrete Gemeinde mit ihren Eigenheiten genauer zu untersuchen. Es ist hingegen nicht möglich, die so herausgearbeiteten Erkenntnisse zu verallgemeinern und auf andere gesellschaftliche Kontexte anzuwenden.

Jedoch fanden sich erst in den 50ern bessere Methoden, da es erst zu jener Zeit möglich wurde, größere quantitative Studien in effektiver Art und Weise auszuwerten. Einschränkend muss man jedoch sagen, dass auch die quantitativen Methoden ihre Schwächen haben. Diese isolieren nämlich größtenteils einzelne Faktoren, deren zusammenwirken man durch diese getrennte Erhebung nicht untersuchen kann.

Die Methode der Gemeindestudien behält also –abhängig vom zu untersuchenden Gegenstand wie etwa das zusammenwirken von mehreren Faktoren, oder aber das beobachten von lokalspezifischen Phänomenen- durch aus ihre Relevanz in der soziologischen Forschung. So wurde zum Beispiel der rasante Strukturwandel in Ostdeutschland nach der Wiedervereinigung durch diese Methode in verschiedenen Städten dokumentiert, etwa in Gotha, Wittenberg, Eberswalde und Eisenhüttenstadt.

7. Sitzung

In Kapitel Acht unseres Buches werden vier Theoretiker vorgestellt, die die Stadt als Subjekt sehen. In ihr werden nach Meinung dieser Theoretiker nicht nur durch gesellschaftlichen Wandel verursachte Veränderungen in herausragendem Maße sichtbar, sondern die Stadt selbst konstituiert einen solchen gesellschaftlichen Wandel.

Die vier unterschiedlichen Theorien sollen im folgenden - nach ihren Verfassern strukturiert- dargestellt werden. Marx/Engels: Nach ihnen war der Widerspruch zwischen städtischer und ländlicher Lebensweise die Triebfeder für die Weiterentwicklung der feudalen in die kapitalistische Wirtschaftsordnung. Die Stadt ist hierbei als Subjekt zu verstehen, dass das geltende Wirtschaftssystem mit großer Kraft „angreift“ und versucht zu verändern.

Nachdem dies erreicht wurde, wird aus dem „Subjekt“ Stadt wieder ein Objekt, in dem sich Probleme, die mit der Diskrepanz von Arbeit und Kapital in Verbindung stehen, manifestieren, jedoch generell ein gesamtgesellschaftliches Problem projezieren.

Ein Beispiel hierfür ist etwa das Problem der Wohnungsnot in den damaligen Städten. Weber: Er sieht in den Städten des Mittelalters abgeschlossene Systeme mit einer in sich geschlossenen Marktwirtschaft und politischer Unabhängigkeit. Diese Umstände machten sie zu Brutstätten für die gesellschaftlichen Veränderungen die sich vollzogen, wie etwa die Hinwendung zum kapitalistischen Wirtschaftssystem und zum bürokratisch verfassten Nationalstaat. Dadurch, das die Umgebung sich nun jedoch quasi den Städten „angepasst“ haben, sieht Weber in den Städten heute jedoch kein Veränderungspotenzial für die Gesellschaft mehr.

Wirth: Er versucht die in der Stadt zu beobachtenden Veränderungen der Lebensweisen der Menschen durch die für städtisches Wohnen typischen Rahmenbedingungen zu erklären. D.h. auch aus seiner Sicht ist die Stadt ein Subjekt, das durch seine spezifischen Merkmale (Größe, Dichte, Heterogenität) die Veränderungen forciert.

Castells: Er hat eine neomarxistische Sicht auf die Stadt. Für ihn stellt die Stadt einen Ort dar, der die Funktion hat, die Arbeitskraft der Arbeiter wiederherzustellen. Das Problem hierbei ist nur, dass die Preise für die Güter, die dieser Wiederherstellung dienen, zu normalen Marktpreisen für den normalen Arbeiter zu teuer wären. Dieses Problem manifestiert sich zum Beispiel dadurch, dass in den Innenstädten meist ein großer Wohnungsmangel herrscht oder die infrastrukturellen Merkmale für Kinder, Alte etc. nicht ausreichend ausgebildet sind.

Diese Umstände könnten bei fortbestehen zu sozialen Spannungen führen. Aufgabe des Staates ist es nun, diese Güter zu einem Preis anzubieten, der es der gesamten Gesellschaft ermöglicht, sie zu konsumieren. Die Stadt ist also insofern ein Subjekt das die gesellschaftliche Entwicklung beeinflusst, weil das Maß ihres Eingriffs zum einen die Reproduktion der Produktivkraft der Arbeiter determiniert, sowie ebenfalls den Ausbruch sozialer Konflikte eindämmen kann.

8. Sitzung

Der Gemeindebegriff zeichnet zwei Ebenen auf. Die institutionelle Ebene, die politisch verfasste Ebene, und die Ebene der sozialen Integration, des gemeinschaftlichen Lebens. Kleine lokale Einheiten sind immer gemeinschaftlich strukturiert. Mit wachsender Größe jedoch nimmt die Bedeutung dieser gemeinschaftlichen Elemente ab. Im 19. Jahrhundert dachte man, die industrielle Verstädterung sei mit Verlusten des sozialen Zusammenlebens verbunden. Städte wurden gleichgesetzt mit dem Verlust von Gemeinschaft. Im weiteren Verlauf des Textes wird der Unterschied zwischen Gemeinschaft und Gesellschaft nach Ferdinand Tönnis erläutert. Die Gemeinschaft: ist gekennzeichnet durch die besondere soziale Kraft, die Menschen als Glieder eines Ganzen zusammen hält. Sie ist gekennzeichnet durch den „Wesenwillen“, einer psychischen Komponente der menschlichen Existenz, die danach strebt, sich expressiv gestalten zu können und ein Verhältnis zu ihren Mitmenschen sucht. Dafür nennt er drei Gestaltungen: Gefallen, Gewohnheit und Gedächtnis. In einer Gemeinschaft sind die Rollen eindeutig definiert und aufeinander abgestimmt. Es gibt keine Rollenkonflikte und die Kultur ist relativ homogen. Als Wächter der Moral fungieren die Familie und die Kirche. Alle Mitglieder sind normativ integriert, sie haben die gleichen Normen und Werte. Die Gesellschaft: ist geprägt vom Verschwinden der Traditionen. Der gegenseitige Austausch wird durch einen Vertrag geregelt. Ihre „Quelle“ ist der „Kürwillen“, der ein bestimmtes Bild des Zusammenlebens verwirklichen will. Der Handelnde besitzt ein rational kalkuliertes Verhältnis zur Umwelt und analysiert mit Verstand die Möglichkeiten und Potentiale, die sich ihm ergeben. Auch hierfür nennt Tönnis drei Gestaltungen: Badacht, Beschluss und Begriff. Die Gesellschaft wird von außen nach einem abstrakten Vorsatz gesteuert. Beziehungen sind fragmental und funktional spezialisiert.

Des weiteren wird auf die städtischen Dörfer nach Herbert Gans eingegangen. Gans hat in dem Slums im Westend von Boston und später auch in europäischen Städten Forschungen betrieben. Was er dort entdeckte waren Gemeinschaften innerhalb von Großstädten. Die Slums wurden allgemein als rückständig bezeichnet , doch Gans sah in ihnen eine alternative Lebensweise.

Aufgrund dieser Erkenntnisse wurde die Nachbarschaft zum Planungskonzept. Es wurde davon ausgegangen, dass durch planvolles Bauen der räumlichen Struktur das nachbarschaftliche Verhältnis beeinflusst werden könne.

Im weiteren Verlauf wird im Text auf die Entwicklung der nachbarschaftlichen Verhältnisse, von einer Zweckgemeinschaft zu einer Sozialbeziehung, eingegangen. Es wird festgehalten, dass in sozial homogenen Quartieren die Wahrscheinlichkeit intensiver Nachbarschaftsbeziehungen höher sei, als dort wo die Planung heterogene Zusammensetzung zu Toleranz oder Integration führen soll.

Die Netzwerkforschung stellt nun die räumliche Struktur in den Hintergrund der Forschung. Elisabeth Bott und Strohmeier untersuchten, dass die Beziehungen konstant bleiben (z.B. durch besuche), dass aber die räumliche Nähe dabei eine geringere Rolle spielt.Die räumliche Nähe ist unerheblich für soziale Beziehungen.

Die Dichte und Reichweite von Netzwerkkontakten ist abhängig von der Stellung im Lebenszyklus und der sozialen Schicht, der man angehört. Für alte Menschen und Kinder ist die räumliche Nähe z.B. wichtiger, da sich nicht so mobil sind.

Die Nachbarschaft nimmt neue Formen an: z.B. Kinderbetreuung. Dies Verlangt aber auch eine große Übereinstimmung der Einstellungen, Überzeugungen, des Geschmacks und der materiellen Möglichkeiten.

Im letzten Kapitel wird eine kurze Zusammenfassung gegeben und auf die Frage eingegangen, ob die Kommunikation über das Internet soziale Kontakte fördert oder hemmt.

9. Sitzung

Das Kapitel 10 unseres Buches beschäftigt sich mit der Frage, welche Faktoren auf die Entwicklung einer Stadt Einfluss haben. Generell werden die drei Faktoren „Standortpräferenzen“, „Bodenmarkt“, und „Stadtplanung identifiziert, die als Einflussfaktoren gelten können. In dem Text werden vier verschiedene Theorien vorgestellt, die diesen jeweils unterschiedliches Gewicht zuschreiben, und auch die einflussbeziehungen der Faktoren untereinander anders bewerten: Die sozialökologische Theorie, die politisch-ökonomische Theorie, die ökonomische Theorie und die politische Theorie. Ich werde die einzelnen Theorien im folgenden systematisch nacheinander beschreiben:

Die sozialökologische Theorie: Diese Theorie bezeichnet die Stadt als analog zu biologischen Organismen, die nach einem Gleichgewicht mit ihrer Umwelt streben und sich anpassen, um dieses Gleichgewicht zu erreichen. Konkret bedeutet das, das die Teilsysteme der Stadt (z.B. unterschiedliche soziale Gruppen) sich gegenseitig zwar irritieren und zur anpassung zwingen, wenn diese Anpassung jedoch vollzogen ist in einem stabilen System nebeneinander leben. Es wird also angenommen, diese Anpassungen solange vollzogen werden bis jedes Teilsystem die optimale Umgebung für jedes einzelne gefunden wurde. Determinanten -sozusagen Umwelteinflüsse- sind hierbei der ökonomische, demografische und technologische Wandel. Die Theorie definiert diese Vorgänge als einen natürlichen Prozess.

Die politisch-ökonomische Theorie (auch „New Urban Sociology“) Bei dieser Theorie wird besonders hervorgehoben, das die Stadt nicht als einzelne, aus dem gesamtgesellschaftlichen Kontext Komponente betrachtet werden kann. In ihren Anfängen sieht sie -ganz in Tradition marxistischer Kapitalismuskritik- die Triebfeder der städtischen Entwicklung allein in den Konflikten zwischen Arbeit und Kapital. In der neuernen Tradition dieser Theorielinie werden jedoch auch anderen Faktoren Einflüsse auf die Stadtentwicklung zugesprochen, etwa politischen Prozessen oder kulturellen Bedingungen etc.

Die ökonomische Theorie: Grundgedanke dieser Theorie ist es, das die Entwicklung einer Stadt durch den Bodenpreis bestimmt wird. Dieser wiederum wird durch verschiedene Einflüsse gesteuert. Generell kann man sagen das der Preis davon abhängt welche Rendite sich der Nutzer durch den Kauf oder die Pachtung des Grundstücks erhofft. Daraus ergibt sich letztendlich, das an jedem ort der Stadt sich diejenige Nutzungsmöglichkeit ansiedeln wird, die hier die größtmögliche Rendite erzielen kann. Gesetze, die durch die Stadtplaner vorgegeben werden, begreift man in diesem Zusammenhang als „Umwelt“, die diese Bodenpreise beeinflussen.

Die politische Theorie: Die Agglomerationsräume haben in dieser Theroei weitgehende Gestaltungsmöglichkeiten und -Spielräume, es existieren vielfältige „Werkzeuge“, die Stadtentwicklung zu beeinflussen. Wie wirksam diese Werkzeuge jedoch eingesetzt werden können, hängt von der finanziellen Lage der Stadt ab. Somit ist die ökonomische Entwicklung der Stadt indirekt – ein Großteil der Gelder der Städte bekommt sie durch Einnahmen aus Körperschaften- eine notwendige Bedingung um die Handlungsfähigkeit der Stadt zu sichern. Somit stellen also in diesem Modell die ökonomischen Entwickungen die „Umweltbedingungen“ für die Stadtplaner dar.

10. Sitzung

Das Kapitel 11 unseres Buches beschäftigt sich mit dem in der Stadtsoziologie sehr wichtigen Begriff der Segregation und dessen Operationalisierbarkeit. Dieser Begriff bezeichnet die Konzentrierung bestimmter sozialer Gruppen in eigenen Bereichen der Stadt, etwa der Asiaten in „Chinatown“, oder der Afroamerikaner im „Ghetto“. Statistisch operationalisiert werden kann dieser Tatbestand durch den sogenannten „Segregationsindex“.

Bei diesem wird zunächst einmal davon ausgegangen, das eine bestimmte soziale Gruppe gleichmäßig in der ganzen Stadt verteilt ist. Je mehr diese Gruppe jedoch von dieser Normalverteilung abweicht, desto größer wird dieser Segregationsindex. Wenn in einer Stadt also z.B. etwa 30% Türken wohnen, es in einem betrachteten Stadtteil 70% der Bevölkerung türken sind, wird hier der Segregationsindex sehr hoch sein, da hier sehr von der vorher angenommenen Verteilung abgewichen wird.

Der Aufbau dieses Indexes hat jedoch eine Reihe von Problemen, die in nur bedingt verwertbar machen, auf diese möchte ich jedoch nicht im Einzelnen eingehen. Gesagt sei an dieser Stelle nur das, bedingt durch seine Abhängigkeit von seiner Bezugsgröße, er nicht geeignet ist, um die Segregation verschiedener Städte zu vergleichen. Zudem beschreibt dieser Index nur die räumliche Segregation, hieraus kann man jedoch noch nicht zwangsläufig Rückschlüsse für soziale Segregation und dessen Konsequenzen ziehen. Diese jedoch stellen für die Soziologie das eigentlich interessante Problemfeld dar.

Betrachtet man die Geschichte der Segregation in den Städten Deutschlands, so kann man zusammengefasst sagen, dass sie zu Beginn des letzten Jahrhunderts am stärksten war, nach dem 2. Weltkrieg lange durch politische Entscheidungen (sozialer Wohnungsbau etc.) relativ stark verhindert wurde, und seit den 80er Jahren (im Osten seit dem Fall der Mauer) nun wieder stärker als zuvor in Erscheinung tritt.

Die Segregation der Gesellschaft wird aus verschiedensten Gründen als Problem erkannt: Hier waren z.B. zum Beginn des letzten Jahrhunderts die Lebensbedingungen so schlecht, dass in diesen Vierteln immer wieder Seuchen entstanden etc. Auch wird immer wieder behauptet, das die Lebensbedingungen zu moralischem Verfall führen, und somit Gewalt und Kriminalität in solchem Umfeld entsteht.

Marx und Engels sahen in diesen Lebensbedingungen die „Brutstätte“ der Revolution, was denjenigen, die „herrschten“ und ihnen glaubten, natürlich nicht gefiel. Heute stehen die durch diese Lebensbedingungen schlechteren Lebenschancen im Vordergrund, die im Gegensatz zum „Gerechtigkeitspostulat“ unserer Gesellschaft stehen.

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