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B.A.Arbeit: Entwurf

Einleitung: Erwachsenenbildung als umstrittenes Gut

Umfang: 2 Seiten

Die Erwachsenenbildung - insbesondere die politische Erwachsenenbildung - ist äußerst selten Thema des öffentlichen Diskurses. Umso bemerkenswerter erscheint es deswegen, dass Familienministerin Franziska Giffey sich - angesichts der fremdenfeindlichen Ausschreitungen in Chemnitz am x.x.2018 und dem antisemitischen Anschlag in Halle am x.x.2019 - dafür einsetzt, die politische Bildung mit einem sogenannten „Demokratiefördergesetz“ zu stärken. Mit einem Bundesgesetz will sie dafür sorgen, dass Projekte, die sich im Bereich der Extremismusprävention engagieren, eine langfristige strukturelle Förderung bekommen, anstatt wie bisher aus Projektfördermitteln des Programms „Demokratie leben“ des Bundes finanziert zu werden.

Natürlich muss man sich die Frage stellen, wie man von Modellprojekten zu einer strukturellen Förderung kommt. Aus meiner Sicht brauchen wir ein Gesetz zur Förderung der Demokratie in Deutschland, das unmissverständlich klarmacht: Es ist auch die Aufgabe des Staates, die demokratische Bildung junger Menschen auf allen Ebenen zu organisieren. Interview Franziska Giffey mit "Welt" am 05.09.2018

Bemerkenswert ist dieser Vorstoß auch deshalb, weil die Ausgestaltung und finanzielle Förderung der Erwachsenenbildung grundsätzlich in die Kulturhoheit und damit Verantwortung der Bundesländer fällt.

Dieses Bekenntnis zur Verantwortung des Staates für die politische Jugend- und Erwachsenenbildung ist in fast allen Bundesländern in ihren jeweiligen Weiterbildungsgesetzen verankert. Die politische Erwachsenenbildung wird in den meisten Gesetzen neben der beruflichen und der allgemeinen Weiterbildung explizit als zu fördernde Aufgabe des Bundeslandes genannt.

Dennoch erweckt Giffey mit ihren öffentlichen Äußerungen den Anschein, dass viele Initiativen und Projekte, die sich der Demokratieförderung und Extremismusprävention verschrieben haben, davon abhängig sind, durch das Bundesprogramm „Demokratie leben“ gefördert zu werden, um weiter existieren zu können. Sie scheint der Ansicht zu sein, dass bundesweit ein strukturelles Defizit im Bereich der demokratischen Jugend- und Erwachsenenbildung gibt:

Eine dauerhafte Absicherung ist nachweislich wirksamer, praxiserprobter Projekte ist in einem Bundesprogramm rechtlich nicht möglich. Projekte einfach nur weiter zu fördern, weil sie gut sind und gebraucht werden, das geht derzeit nicht. Das geht nur mit einer gesetzlichen Grundlage, die die Zivilgesellschaft kontinuierlich stärkt und stabile, verlässliche Strukturen schafft.

Es ist deshalb Zeit für ein Demokratiefördergesetz - ein Gesetz für eine starke Zivilgesellschaft. Denn bislang können wir engagierte Menschen zwar unterstützen, die Förderung kann sich aber immer nur auf Projekte beziehen. Und Projekte haben nun mal einen Anfang und ein Ende. Franziska Giffey in einem Gastbeitrag für "Der Tagesspiegel" vom 22.10.2019

Giffey fordert hier eine „gesetzliche Grundlage“ auf Bundesebene für die Förderung von politischer Bildung, ohne jedoch näher darauf einzugehen, warum die bisherigen gesetzlichen Rahmenbedingungen nicht dazu geeignet sind „stabile, verlässliche Strukturen“ zu schaffen.

(… hier muss noch was hin!)

Einführend soll zunächst überblicksartig dargelegt werden (Kapitel 2), wie das Feld der Erwachsenenbildung heute strukturiert ist, und wie diese Strukturen durch Weiterbildungsgesetze in der BRD und der DDR beeinflusst wurden. In Kapitel 3 soll dann der Frage nachgegangen werden, ob und wenn ja wo in der BRD heute gesetzliche Regelungen bestehen, die darauf abzielen, eine dauerhafte Absicherung der politischen Bildung zu gewährleisten. In einem nächsten Schritt (Kapitel 4) soll dann untersucht werden ob und wenn ja wo in der BRD Regelungslücken bestehen, die dazu führen könnten, dass „stabile, verlässliche Strukturen“ der politischen Erwachsenenbildung nicht entstehen können.

Abschließend werden in Kapitel 5 die jeweiligen gesetzlichen Regelungen gegenüber gestellt und verglichen, wo ihre Stärken und Schwächen liegen. Auf dieser Basis ziehe ich ein Fazit, ob ein bundeseinheitliches „Demokratiefördergesetz“ dazu geeignet wäre, zuvor identifizierte Regelungslücken zu schließen.

Quellen

Kurzüberblick: Die Entwicklung von Weiterbildungsgesetzen im geteilten Deutschland

Umfang: 5-7 Seiten

Quellen

Hauptteil: Erwachsenenbildungsgesetzgebung von 90 bis 2010 (oder: ...in die Gegenwart)

Umfang: 15 Seiten

Das Staatsmodell des Föderalismus (Bundesstaat) bedingt in der Bundesrepublik Deutschland, dass die Zuständigkeiten und Aufgaben bei Gesetzgebung und Verwaltung zwischen dem Bund und den Ländern verteilt sind. Ihre Zuständigkeit auf dem Gebiet der Kultur (Kulturhoheit) — und damit auch der Bildung — haben die meisten Bundesländ& durch Weiterbildungsgesetze ausgefüllt, die die allgemeine Weiterbildung regeln. Trotz dieser Kulturhoheit der Länder gibt es bundesweite Gesetze und gesetzesähnliche Regelungen vor allem aus dem Arbeits- und Sozialrecht, die auch für die Weiterbildung bedeutsam sind, hauptsächlich auf dem Gebiet der beruflichen Bildung. Hinzu kommen tarifrechtliche Regelungen sowie betriebliche Vereinbarungen, die vorrangig für den Bereich der beruflichen Weiterbildung von Belang sind. Schließlich greift das europäische Recht zunehmend in die Gestaltung der Weiterbildung auch in Deutschland ein. Zu nennen wäre auch noch eine völkerrechtliche Ebene, die über nationale und internationale Gruppen hinausgeht und einen noch weiter gesteckten Geltungsbereich beansprucht. Das Recht der Weiterbildung ist damit nicht in einer Rechtsquelle niedergelegt, sondern bewegt sich zwischen den verschiedensten Quellen, die außerdem immer wieder Veränderungen unterliegen. Der Gegenstandsbereich „Recht der Weiterbildung„ ist also komplex und von daher nicht leicht zugänglich. Dies erschwert es, sich ein grundlegendes Wissen darüber anzueignen. Faulstich/Haberzeth 2007 S. 9

Genau wie die rechtlichen Belange ist auch die dahinterstehende Weiterbildungspolitik ein komplexes Thema, weil die programmatischen Positionen der unterschiedlichen politischen Akteure und die theoretischen Konzepte in diesem wie auch in anderen Politikfeldern kontrovers sind. Um die Kontroversen zu verstehen, kommt man nicht umhin, sich zunächst der Probleme und Defizite des Lernbereichs Weiterbildung zu vergewissern, die überhaupt erst die Legitimation für politische Interventionen liefern. Damit aber öffnet sich ein weites und diffuses Feld, ist doch die Weiterbildung insgesamt durch eine überaus vielfältige Struktur der Institutionen, Anbieter und Angebote gekennzeichnet, die nicht einfach zu überblicken ist. Defizite bestehen etwa in der Hinsicht, dass Weiterbildung durch eine Unübersichtlichkeit und Intransparenz der Anbieter und Angebote gekennzeichnet ist. Zudem wirkt Weiterbildung sozial selektiv: Bildungsangebote erreichen vorwiegend Menschen mit höherem sozialen Status und höherer Formalbildung. Faulstich/Haberzeth 2007 S. 9f

An diesen Problemen und Defiziten entzünden sich politische Kontoversen und sie provozieren politische Interventionen und Entscheidungen. Die Kontroversen betreffen immer noch primär die Debatte um staatliche Steuerung versus marktförmige Regulierung: Soll der Staat im Sinne einer modellhaft gedachten Marktwirtschaft grundsätzlich nicht eingreifen (z. B. finanzielle Förderung von Angeboten) und ausschließlich einige Rahmenbedingungen absichern (z. B. Qualitätsstandards)? Verpflichtet das im Grundgesetz verankerte Sozialstaatsprinzip nicht zu weitreichenden staatlichen Interventionen, um soziale Gerechtigkeit und gleiche Lebenschancen zu sichern? Wie weit sollte dann der Staat eingreifen? Und in welchem Maß kann er angesichts finanzieller Schwierigkeiten überhaupt tätig werden? Damit hängen die Fragen nach der Verantwortungsverteilung zwischen dem Staat, den Unternehmen und den Lernenden sowie nach der Aufbringung von Ressourcen, also „Lernzeiten“ und „Lerngeldern„ zusammen. Faulstich/Haberzeth 2007 S. 10

Diese besondere Gestalt bzw. Verfasstheit der Weiterbildung lässt sich als „mittlere Systematisierung“ beschreiben (vgl. Faulstichfreichler/Bojanowski u. a. 1991). Gemeint ist damit: Mit der Verlagerung von Lernaktivitäten aus primären gesellschaftlichen Institutionen wie Betrieben und Familien unterscheidet sich das Lernen Erwachsener gegenüber anderen gesellschaftlichen Tätigkeiten, und es entsteht ein spezifisches Teilsystem der Bildung für Erwachsene. Dieses System ist allerdings nicht in einer solch hochgradigen Weise strukturiert wie Schule und Hochschule z. B.

  • in Bezug auf die Festlegung von Lehrinhalten und -zielen,
  • der Neutralität gegenüber -gesellschaftspolitischen Teilinteressen oder
  • einer Distanz von Lernen und Praxis,

Es weist allenfalls einen „mittleren„ Grad der Strukturiertheit auf. So wurde der Weiterbildungsbereich zwar inzwischen ansatzweise rechtlich erschlossen, es gibt aber kein einheitliches Weiterbildungsrecht, so wie es bspw. für den Ausbildungsbereich ein Berufsbildungsrecht des Bundes gibt. Dieser vergleichsweise geringe Grad der Systematisierung in z. B. juristischer, finanzieller, curricularer und auch personeller Hinsicht ist wiederum mitverantwortlich dafür, dass Weiterbildung besonders flexibel und schnell auf die sich wandelnden Lerninteressen und -bedarfe reagieren kann. Faulstich/Haberzeth 2007 S. 25

Der geringe Strukturierungsgrad der Weiterbildung ist auch Resultat von unterschiedlichen Interessen- und Machtkonstellationen, die auf verschiedenen Ebenen sichtbar werden. Widerstreitende Interessen und Absichten beziehen sich dabei auf:

  • die Finanzquellen: Gebühren versus Zuschüsse,
  • die curriculare Struktur: Programme versus „offene Angebote“,
  • die Personalstruktur: Hauptberuflichkeit versus Nebenberuflichkeit und Ehrenamtlichkeit,
  • die interne Dynamik: Spontaneität versus Kontinuität,
  • die interne Struktur: Partial ität versus Universalität, wie z. B. ein spezifisches gegenüber einem breitem Weiterbildungsangebot.

Faulstich/Haberzeth 2007 S. 27

Darüber hinaus soll mit dem Begriff der „mittleren Systematisierung„ auch zum Ausdruck gebracht werden, dass Weiterbildung auch auf Dauer nicht das Maß von Systematisierung erhalten soll, wie sich dies im Bereich der Schulen und Hochschulen entwickelt hat. Die institutionelle und curriculare d. h. die Möglichkeit unterschiedliche Interessen von Staat und Individuum aufzunehmen (aktuelle Beispiele: Integrationskurse, VHS-Kurse zur sogenannten Riester-Rente) etc. soll erhalten bleiben. Betrachtet man allerdings noch einmal die Strukturdefizite und Lücken des Lernbereichs Weiterbildung, so ist dennoch eine stärkere Systematisierung der Weiterbildung anzustreben, um ihre unabweisbaren Leistungen für Individuum und Gesellschaft dauerhaft zu sichern. Dabei geht es — wie im nächsten Kapitel zu zeigen sein wird — um einen Grad der Systematisierung in der Mittellage zwischen einer im Kern marktmäßig regulierten Ökonomie und dem Sozialstaatsprinzip, also dem staatlichen Auftrag, soziale Gerechtigkeit zu gewährleisten.

Faulstich/Haberzeth 2007 S. 27

Derzeit wird die Weiterbildung im Rahmen von Deregulationsstrategien zunehmend marktförmig strukturiert. Die gerade in der Weiterbildung verbreiteten Stichworte „mehr Markt — weniger Staat“, „Privatisierung„ oder „Kommerzialisierung“ signalisieren eine solche Tendenz. Dabei ist schon mit Blick auf die Teilnehmenden eine ausschließlich nach Marktkriterien funktionierende Regulation des Gesamtbereichs Weiterbildung kaum realistisch. Der wesentliche Grund dafür ist, dass Weiterbildung wie Bildung kein „normales„ Gut ist wie etwa ein Fernsehapparat. Grundsätzlich ist es möglich, vor dem Kauf eines Fernsehapparats den zu erwartenden Nutzen und die Qualität einzuschätzen. Nach einer Anschaffung stellt sich in der Regel der erwartete Nutzen auch unmittelbar ein. Bildung hingegen ist kein in diesem Sinn „abgeschlossenes“ Gut (vgl. Nagel 2002, S. 243). Es ist mit einer hohen Unsicherheit behaftet.

Zunächst haben die Teilnehmenden selbst einen unverzichtbaren Anteil am Gelingen von Bildung; Lernen kann man schließlich nur selbst. So stellt sich auch der Erfolg einer Bildungsmaßnahme in der Regel nicht unmittelbar nach Abschluss der Maßnahme ein. Und inwieweit sich eine Investition in Bildung sich langfristig tatsächlich lohnt, ob sie also den erwarteten Nutzen hat, ist kaum zu berechnen. Faulstich/Haberzeth 2007 S. 28f

Nicht zurechenbare Erträge und Kosten und unabsehbare externe Effekte (z. B. Veränderungen der Arbeitsanforderungen) könnten zu problematischen Defiziten führen (vgl. Kap. 2.1) wie z. B. dazu, dass Weiterbildung zu wenig nachgefragt wird, weil der Nutzen nicht abgeschätzt werden kann, oder dass ausschließlich kurzfristig verwertbares Spezialwissen nachgefragt wird. Resultat einer rein marktmäßigen Regulierung wäre eine strukturell bedingte Unterinvestition in die Weiterbildung. Die dadurch bedingten Lücken im Weiterbildungssystem können geradezu als Paradebeispiel für Marktversagen herangezogen werden.

Unter Nutzenaspekten ist Weiterbildung insofern kollektives Gut, als Nutznießer nicht nur unmittelbar die Teilnehmenden, sondern ebenso die Unternehmen und die Gesellschaft sein können. Faulstich/Haberzeth 2007 S. 29

Faulstich/Haberzeth 2007

Faulstich/Haberzeth 2007

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Faulstich/Haberzeth 2007

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Die konkrete Erwachsenenbildungsarbeit findet in speziellen Einrichtungen statt. Auch hier ergibt sich wieder ein Bild der Vielfalt, aber auch der Unübersichtlichkeit. Es existieren eine Fülle von Einrichtungen, die unterschiedliche Bezeichnungen führen, z. B. Volkshochschulen, Heimvolkshochschulen, Akademien, Bildungswerke, Bildungsstätten, Bildungszentren, Bildungshäuser. Diese Unübersichtlichkeit im Erwachsenenbildungssektor - im Gegensatz zum durchstrukturierten Schul- und Hochschulsektor - kommt hauptsächlich dadurch zustande, daß vereinheitlichende Gesetze und Verordnungen fehlen und so immer wieder neue Einrichtungen und Träger der Bildungsarbeit entstehen können. Wennemann 1999 S. 80

Akademien Ziel der Akademien als Einrichtungen der sozialen und politischen Erwachsenenbildung ist die Ermöglichung einer intensiven und sachgerechten Auseinandersetzung mit den Problemen der sozialen und politischen Wirklichkeit. Dabei wird die Ausrichtung bestimmt durch die Zugehörigkeit zu übergeordneten Institutionen, z. B. zu bestimmten Kirchen oder Parteien. Es lassen sich unterscheiden:

  1. Sozialakademien: Hier sind vor allem kirchliche und gewerkschaftliche Sozialakademienzu differenzieren, wobei in diesen Einrichtungen neben Seminaren und Veranstaltungen für die Allgemeinheit auch Qualifizierungslehrgänge für die Führungsschicht von Gewerkschaften, Verbänden oder anderen Organisationen vorgenommen werden. Auf kirchlicher Ebene gehören auch Gespräche über Entscheidungsfragen des sozialen, kulturellen und kirchlichen Lebens mit „Verantwortlichen auf mittlerer und oberer Ebene„ aus Politik, Kultur, Wirtschaft und Kirche zu den Aufgaben von Akademien.
  2. Politische Akademien: Neben den politischen Akademien der großen Parteien (z. B. Theodor-Heuss-Akademie, Bildungszentrum Wildbad Kreuth), deren Träger Stiftungen sind, gibt es auch einige regionale Stiftungen mit eigenen Akademien.

Politische und soziale Bildung wird aber nicht nur in den gerade genannten speziellen Einrichtungen durchgeführt, sondern auch in vielen anderen Institutionen wie z. B. in Volkshochschule oder Heimvolkshochschule.

Wennemann 1999 S. 81f

Der Erwachsenenbildungsbereich befindet sich noch in einer Phase der Professionalisierung, d.h. daß aus einer ehemals ehrenamtlichen Tätigkeit ohne Bezahlung und ohne spezielle Ausbildung „von einem bestimmten Augenblick, an eine Tätigkeit gegen Bezahlung wird, und zwar in einem solchen Umfang, daß die diese Tätigkeit ausübende Person davon leben kann“.

So stieg die Zahl der hauptberuflichen Mitarbeiterinnen an Volkshochschulen in den vergangenen Jahren ständig an. Gab es 1979 z. B. noch 369 hauptberufliche LeiterInnen an Volkshochschulen, so waren es 1990 schon 515. Die Zahl der hauptberuflichen pädagogischen Mitarbeiterinnen an den Volkshochschulen stieg im gleichen Zeitraum sogar von 1200 auf 3293. Auffällig hoch ist dennoch die Anzahl der nebenberuflichen pädagogischen MitarbeiterInnen, die 1979 102.189 und 1990 150.733 betrug. Insbesondere im Vergleich mit den „Hauptberuflern„ wird deutlich, daß der Anteil der Nebenamtlichen im Bereich der Erwachsenenbildung stark überwiegt, also eine geringe Zahl von Hauptamtlichen einem „Heer“ von Nebenamtlichen gegenübersteht. Wennemann 1999 S.83

Quellen

Subsidär VS Gewährleistend

In Nordrhein-Westfalen sieht das dortige Weiterbildungsgesetz […] »die Sicherstellung eines bedarfsdeckenden Angebots an Lehrveranstaltungen zur Weiterbildung« vor, das durch »Einrichtungen des Landes. der Kreise, kreisfreien Städte, kreisangehörigen Gemeinden sowie anderer Träger gewährleistet werden« soll. (§4 Abs. 1) Das Land verpflichtet sich nach Maßgabe des Gesetzes, also ohne Haushalsvorbehalt, die Weiterbildung zu fördern und eine »Grundversorgung« mit einem »Mindestangebot« an Weiterbildung zu sichern, das sich nach der Einwohnerzahl des Einzugsbereichs der Volkshochschulen richtet, für die das Gesetz eine finanzielle Ausstattung in hähe von 100% der anzuerkennenden Aufwendungen vorsieht. Über das »Mindestangebot« hinaus ist eine weiterhende förderung im Rahmen des Haushaltsplans möglich. Außerdem erhalten Einrichtungen andere Träger eine finanzielle Förderung in Höhe von 60% der anerkannten Aufwendungen, die sich nach dem Veranstaltungsvolumen richtet, das in dem Kalenderjahr durchgeführt wurde,das dem Rechnungsjahr voraus ging. Die Finanzausstattung des Weiterbildungsgesetzes in Nordrhein-Westfalen ist jedoch durch das dortige Haushaltsfinanzierungsgesetz vom 16.12.1981 detlich eingeschränkt worden. Das Land verpflichtet die Kreise und kreisfreien Städte zur Erstellung von Weiterbildungs-Entwicklungsplänen unter Beteiligung der anderen Tröger und der Hochschulen zur Sicherung eine »bedarfsdeckenden Angebots«, die dem Regierungspräsidenten zur Prüfung vorzulegen sind. Beraten werden die Weiterbildungs-Einrichtungen durch eine Abteilung »Weiterbildung« beim »Landesinstitung für Curriculumentwicklung, Lehrerfortbildung und Weiterbildung«.

Das Besondere an den nordrhein-westfälischen Regelungen ist die investive finanzielle Ausstattung der Volkshochschulen durch das Land. Zusätzlich werden die Träger anderer anerkannter Einrichtungn unter vergleichsweise günstigen Zuschußbedingungen finanziell gefördert und der Weiterbildungsbereich durch Verordnungnen und Weiterbildungsentwicklungspläne strukturiert sowie vom Landesinstitut fachlich beraten. Deshalb lassen sich die in Nordrhein-Westfalen geltenden rechtlichen Regelungen als »einerseits investiv-gewährleistend und andererseits koordiniert-subsidiär« kennzeichnen. Kuhlenkamp 1983, S. 119f

Da die bestehenden Weiterbildungsgesetze weit mehr Gesichtspunkten der haushaltsabhängigen »Förderung« als denen der bedarfsgerechten »Gewährleistung« folgen, vermögen sie den Weiterbildungsbereich auch nursehr unzureichend gegenüber den Haushaltsproblemen der Länder abzuschirmen. Die finanzielle Ausstattung der bestehenden Weiterbildungsgesetze erscheint nach den bisherigen Erfahrungen als noch disponibler und »konjunkturabhängiger« als die Finanzausstattung anderer Bildungsbereiche.

Sollte Weiterbildung incht vorrangig gefördert, sondern nach an dem Sozialstaatspostulat von Art. 20, Abs. 1 des Grundgesesetzes orientierten Kriterien gewährleistet werden, so läßt sich dieses kaum ohne ein größeres politisches, rechtliches und finanzielles Engagement der Länder vorstellen. Denn der Weiterbildungsbereich müßte dann von seiner gegenwärtigen Abhängigkeit von weitgehend subsidiärer, an das durchgeführte Veranstaltungsvolumen gebundener und von einem grundsätzlichen Haushaltsvorbehalt eingeschränkter Zuschußgewährung entlastet werden. Sinnvoll wären unter dieser Zielvorstellung Gesetze, die der Weiterbildung investiv - an Einwohnerzahlen orientierte - Ressourcen zur Verfügung stellten, die nicht durch einen Haushaltsvorbehalt - wie in allen bestehenden Landesgesetzen mit Ausnahme in Niedersachen und Nordrhein-Westfalen - an jährliche politische Willensentscheidungen der Parlamente gekoppelt wären oder durch ein »Haushaltsfinanzierungsgesetz« - wie in Nordrhein-Westfalen - eingeschränkt oder durch restriktive Novellierungpläne - wie in Niedersachsen - bedroht würden. Kuhlenkamp 1983, S. 123

Kuhlenkamp stellt in einem Ländervergleich der schwachen Formulierung 'Förderung' die stärkere der 'Gewährleistung' gegenüber und entwirftr vor diesem Hintergrund eine Typologie der Weiterbildungsgesetze. Ein wesentliche Prüfkriterium ist dabei die Einwirkungsmöglcihkeit des Landes, was angesichts der vielfach proklamierten 'Öffentlichen Verantwortung' naheliegt. Die Sichtung ergibt zwei Typen, die sich intern nochmals weiter differenzieren lassen.

Der erste Typus ist mit dem Stichwort 'subsidiär' zu charakterisieren. Staatliche Förderung ist hier nachrangig und unterstützend, selbst wnn sie faktisch bei einzelnen Weiterbildungsträgern den größten Einnahmeposten ausmacht. Es geht nicht um ein Weiterbidungsangebot in Verantwortung der Länder, sondern um die Schaffung(d.h. vor allem Finanzierung) günstiger Bedingungen für ein ganzes Spektrum unterschiedlicher Veranstalter.[…] Es wird weitgehend darauf vertraut daß sich die Weiterbildung im relativ 'freien Spiel der Kräfte', unterstützt von der öffentlichen Hand, in Form eines kooperativen Systems etabliert. Entscheidende Bezugsgrößen für die Mittelzuweisung sind einerseits das durchgeführte Veranstaltungsvolumen und anderseits die im Haushaltsplan des Landes jeweils ausgewiesenen Mittelansätze für die Weiterbildung.

[…]

Der zweite Typus wird mit dem Etikett 'gewährleistend' versehen. Er umfaßt die gesetzlichen Regelungen in Hessen und in Nordrhein-Westfalen. Entscheidend ist für Hessen, daß die Einrichtung von Volkshochschulen eine Pflichtaufgabe der Kommunen und Landkreise darstellt und daß die Personalkostenzuschüsse nicht an das Veranstaltungsvolumen, sondern an die Einwohnerzahl des Einzugsbereiches geknüpft sind. In Nordrhein-Westfalen wird eine flächendeckende 'Grundversorgung' mit einem geförderten 'Mindestangebot' gesichert, das ebenfalls an die Einwohnerzahl des Einzugsbereiches einer Volkshochschule gebunden ist. Für dieses Mindestangebot sieht das Gesetz eine finanzielle Ausstattung in Höhe von 100% der anzuerkennenden Aufwendungen vor.

Wittpoth 1997, S. 12f

Faßt man zusammen, so wird eine öffentliche Verantwortung für die allgemeine Weiterbildung also am ehesten dort wahrgenommen, wo Gesetze des 'gewährleistenden' Typus gelten. Auch Bockemühl kommt in seiner vergleichenden Untersuchung zu dem Ergebnis, daß gerade die Gesetze in Hessen und Nordrhein-Westfalen unen außerordentlichen Aufschwung zur Folge hatten und ein zugleich umfassendes und differenziertes Bildungsangebot hervorgebracht haben ( vgl. Bockemühl 1977, 201). Allerdings sind auch diese vergleichsweise weitgehenden Gesetze kaum geeignet, einen 'quartären Sektor des Bildungssystems' zu schaffen und zu sichern. Sie können den Weiterbildungsbereich nämlich nur sehr unzureichend gegenüber den Haushaltsproblemen der Länder abschirmen, was spätestens in der ersten Hälfte der 80er Jahre deutlich wurde, in der die aufgewendeten Landesmittel nach einer längeren Phase der Expansion eine faktisch rückläufige Tendenz aufwiesen. Neuerliche Mittelkürzungen sind angesichts der angespannten Lage der öffentlichen Haushalte zu erwarten. Wittpoth 1997, S. 14

Weiterbildungsgesetze können in einen 'subsidären' und einen 'gewährleistenden' Typus unterschieden werden.

Gesetze, die eher dem 'subsidiären' Typus zugerechnet werden können, sind darauf ausgerichtet, möglichst günstige Bedingungen zu schaffen, um ein breites Spektrum unterschiedlicher Anbieter darin zu unterstützen, 'in einem freien Spiel der Kräfte' ein Weiterbildungssystem in Form eines kooperativen Systems zu etablieren. Dazu werden vor allem finanzielle Anreize geschaffen, die zum Teil an die Erfüllung bestimmter Bedingungen geknüpft sind - etwa ein Mindestumfang an zu erbringenden Unterrichtsstunden pro Jahr oder die Teilnahme an regionalen Kooperationsgremien oder die Einführung eines Qualitätssicherungsystems etc. ( Wittpoth 1997, S. 12f).

Gesetze, die eher dem 'gewährleistendem' Typus zugerechnet werden können, setzen hingegen zumindest zum Teil auf die Finanzierung einer 'Grundversorgung' in staatlicher Verantwortung. Für diese 'Grundversorgung' werden die Kosten zu 100% übernommen. Diese 'Grundversorgung' wird hauptsächlich von VHS übernommen. Jedoch können auch andere Träger mit der Erbringung dieser 'Grundversorgung' beauftragt werden.

Darüber hinaus können in Gesetzen dieses Typus weitere subsidiäre Elemente verankert sein, etwa die Förderung von über die Grundversorung hinausgehende Unterrichteseinheiten mit einem gewissen Anteil der pauschal dafür veranschlagten Posten.

Faßt man zusammen, so wird eine öffentliche Verantwortung für die allgemeine Weiterbildung also am ehesten dort wahrgenommen, wo Gesetze des 'gewährleistenden' Typus gelten. Auch Bockemühl kommt in seiner vergleichenden Untersuchung zu dem Ergebnis, daß gerade die Gesetze in Hessen und Nordrhein-Westfalen einen außerordentlichen Aufschwung zur Folge hatten und ein zugleich umfassendes und differenziertes Bildungsangebot hervorgebracht haben ( vgl. Bockemühl 1977, 201). Allerdings sind auch diese vergleichsweise weitgehenden Gesetze kaum geeignet, einen 'quartären Sektor des Bildungssystems' zu schaffen und zu sichern. Sie können den Weiterbildungsbereich nämlich nur sehr unzureichend gegenüber den Haushaltsproblemen der Länder abschirmen, was spätestens in der ersten Hälfte der 80er Jahre deutlich wurde, in der die aufgewendeten Landesmittel nach einer längeren Phase der Expansion eine faktisch rückläufige Tendenz aufwiesen. Neuerliche Mittelkürzungen sind angesichts der angespannten Lage der öffentlichen Haushalte zu erwarten. Wittpoth 1997, S. 14

Quellen

Weiterbildungsgesetze in den neuen Bundesländern

Die bisher vorliegenden Gesetzentwürfe lassen erkennen, daß die in den alten Ländern der Bundesrepublik Deutschland verabschiedeten Gesetze zur Weiterbildung/Erwachsenenbildung die Vorlage boten zur Ausarbeitung von Gesetzentwürfen in den neuen Ländern. In Brandenburg hat man sich an den Gesetzten in Nordrhein-Westfalen und in Schleswig-Holstein orientiert, in Sachsen-Anhalt am Erwachsenenbildungsgesetz in Niedersachsen, und thüringen hatte die Erwachsenenbildungsgesetze in Bayern und in Hessen als Vorlage. Grundlegende Zielelemente für ein im Aufbau befindliches Erwachsenenbildungssystem, die sich an der Bedarfsgerechtigkeit und der Flächendeckung orientieren, sind weder in den vorgeschlagenen Organisationsstrukturen noch in den Förderungregelungen der Entwürfe berücksichtigt worden. Soweit Ansätze einer investiven Förderung, die sich an den Aufbaunotwendigkeiten der Erwachsenenbildung und nicht an erbrachten Leistungen orientiert (die in den neuen Ländern wegen der repressiven Wirkungen der DDR minimal sind), eingearbeitet wurden, haben widersprüchliche Regelungen oder unpräzise Formulierungen diese wieder zunichte gemacht. Rohlmann 1992, S.76f

Zur finanziellen Förderung durch das Land ist zu klären

  • ob eine institutionelle Förderung angestrebt wird,
  • ob eine allgemeine förderung allein nach den vorher erbrachten Leistungen ausgerichtet wird,
  • ob den Trägern ein Rechtsanspruch auf staatliche Förderung zuerkannt wird oder
  • ob nur die Möglcihkeit einer Förderung nach dem Gesetz in Aussicht gestellt wird.

Eine widersprüchliche Regelung ist in dem Vor-Entwurf (Arbeitspapier) von Brandenburg enthalten. Einerseits wird das Land zur Förderung der Weiterbildung 'verpflichtet' (§ 4 Abs. 1). Andererseits wird festgelegt: Das Land kann Trägern und Einrichtungen für einzelne Maßnahmen Projektförderung gewähren - ebenfalls nach Maßgabe des Haushalts. Wenn das Land fördern kann, ist damit auch ausgesagt, daß es nicht notwendig fördern muß. Welchen Wert die 'Verpflichtung' zur Förderung hat, ist danach ungewiß. Nach den seit Ende 1991 vorliegenden Eckdaten zu einem Referentenentwurf sind verbindliche Regelungen zur institutionellen Förderung der Weiterbildung in Brandenburg vorgesehen. Rohlmann 1992, S. 74

Die einschlägige Gesetzgebung in den neuen Bundesländern hat keine grundsätzlich neuen Aspekte hervorgebracht. Auch sie erkennt zunächst Weiterbildung als gleichberechtigten Teil des Bildungswesens an und stellt sie in den Dienst der Verwirklichung des Rechts auf Bildung. Wie kaum ander zu erwarten war, orientieren isch die Gesetze im Konkreten jedoch an denen der alten Länder. Brandenburg hat Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein zu Vorlage genommen, Sachsen-Anhalt folgt dem niedersächsischen Erwachsenenbildungsgesetz und Thüringen bezieht sich vor allem auf Bayern. „Grundlegende Zielelemente für ein im Aufbau befindliches Erwachsenenbildungssystem, die sich an der Bedarfsgerechtigkeit und der Flächendeckung orientieren“ (Rohlmann 1992, 76), berücksichtigen sie nicht. So ist zum Beispiel die ivestive Förderung, die auf die notwendige Schaffung von Infrastrukturen und nicht auf bereits erbrachte Leistungen Bezug nimmt, nicht befriedigend geregelt (vgl. ebd., 77). Auch wenn es noch eine Weile dauern wird, bis sich die Strukturen konsolidiert haben, läßt sich bereits jetzt festhalten, daß die Chancen, die mit der Situation des Neuaufbaus gegeben waren, nicht genutzt worden sind.

Wittpoth 1997, S. 13f

Wittpoth behauptet unter Bezugnahme auf Rohlmann:

„Wie kaum ander zu erwarten war, orientieren sich die Gesetze im Konkreten jedoch an denen der alten Länder. Brandenburg hat Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein zu Vorlage genommen, Sachsen-Anhalt folgt dem niedersächsischen Erwachsenenbildungsgesetz und Thüringen bezieht sich vor allem auf Bayern. „Grundlegende Zielelemente für ein im Aufbau befindliches Erwachsenenbildungssystem, die sich an der Bedarfsgerechtigkeit und der Flächendeckung orientieren“ (Rohlmann 1992, 76), berücksichtigen sie nicht.“

Rohlmann argumentiert:

„Grundlegende Zielelemente für ein im Aufbau befindliches Erwachsenenbildungssystem, die sich an der Bedarfsgerechtigkeit und der Flächendeckung orientieren, sind weder in den vorgeschlagenen Organisationsstrukturen noch in den Förderungregelungen der Entwürfe berücksichtigt worden. Soweit Ansätze einer investiven Förderung, die sich an den Aufbaunotwendigkeiten der Erwachsenenbildung und nicht an erbrachten Leistungen orientiert (die in den neuen Ländern wegen der repressiven Wirkungen der DDR minimal sind), eingearbeitet wurden, haben widersprüchliche Regelungen oder unpräzise Formulierungen diese wieder zunichte gemacht.“

Er bemängelt also (zu Beginn der 90er Jahre), dass aufgrund einer fehlenden Orientierung am 'gewährleistenden' Typus bei den Entwürfen der neuen Bundesländer, „grundlegende Zielelemente für ein im Aufbau befindliches Erwachsenenbildungssystem […] weder in den vorgeschlagenen Organisationsstrukturen noch in den Förderungsregelungen der Entwürfe berücksichtigt worden“ sind (vgl. Rohlmann 1992, S. 74).

Andererseits relativiert Wittpoth:

„ Allerdings sind auch diese vergleichsweise weitgehenden Gesetze kaum geeignet, einen 'quartären Sektor des Bildungssystems' zu schaffen und zu sichern. Sie können den Weiterbildungsbereich nämlich nur sehr unzureichend gegenüber den Haushaltsproblemen der Länder abschirmen, was spätestens in der ersten Hälfte der 80er Jahre deutlich wurde, in der die aufgewendeten Landesmittel nach einer längeren Phase der Expansion eine faktisch rückläufige Tendenz aufwiesen. Neuerliche Mittelkürzungen sind angesichts der angespannten Lage der öffentlichen Haushalte zu erwarten.“

Quellen

Zusammenfassung:

Umfang: 5 Seiten

Fazit

Umfang: 2 Seiten

Literaturverzeichnis

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